Serie über den Zentralen Qualitätsarbeitskreis (ZQAK), Teil 5: Übersicht zu Themen und zur Arbeit der seit 2018 bestehenden AG Digitalisierung.

In der Ausgabe 5/2020 hat die Kinderärztliche Praxis eine Serie gestartet, um die Arbeit des von Prof. Peter Borusiak aus Bremen koordinierten Zentralen Qualitätsarbeitskreis (ZQAK) allen Lesern der Kipra transparenter zu machen. Dazu wird in kurzer und kompakter Darstellung die Arbeitsweise der jeweiligen Gruppen mit ihrer spezifischen inhaltlichen Ausrichtung dargestellt. Im ersten Teil der Serie wurde die AG "Interdisziplinarität" vorgestellt, im zweiten Teil die AG "Mehrdimensionale Bereichsdiagnostik in der Sozialpädiatrie (MBS)", im dritten Teil die Arbeitsgemeinschaft "Migration" (AG Migration), und im vierten Teil über die AG "Hilfsmittelversorgung". Heute folgt mit der AG Digitalisierung Teil fünf der Serie.

Begriffe wie "digitale Transformation" oder "digitale Revolution" haben auch in der Sozialpädiatrie Einzug gehalten. Ob aber auch von allen Akteuren das enorme Ausmaß und der tiefgreifende Charakter der damit verbundenen, bereits laufenden und mehr noch – der kommenden – Veränderungen hinlänglich erkannt wird, ist zumindest diskutabel. Dabei dürfte unstrittig sein, dass künftig alle Beteiligten mit unterschiedlichen Digitalisierungsprozessen konfrontiert und in diese involviert sein werden. Der Reflex, damit vor allem die Einführung der "elektronischen Akte" oder seit Pandemiezeiten die "Videosprechstunde" zu assoziieren, greift viel zu kurz. Vielmehr geht es um enorme, sich teilweise auch disruptiv auswirkende Veränderungen, die sich etwa unter Überschriften wie "Informationsgesellschaft", "artifizielle Intelligenz" oder "Medizin 4.0" subsumieren lassen. Zurecht spricht man im Zusammenhang mit der allumfassenden Digitalisierung von der "dritten großen Umwälzung der Menschheitsgeschichte", – nach der neolithischen und industriellen Revolution vor 10.000 bzw. 200 Jahren.

Enormes Potenzial für die Sozialpädiatrie

Neben zahlreichen praxisrelevanten Innovationen im Alltag der in der Sozialpädiatrie Tätigen wird es in den nächsten Jahren grundlegende, fach- und tätigkeitsspezifische Veränderungen geben. Zusammen mit den dadurch notwendigen Anpassungsprozessen, die Herausforderungen darstellen und Schwierigkeiten mit sich bringen werden, eröffnen sich dadurch zugleich riesige Chancen für die Sozialpädiatrie. Beispielhaft seien hier die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Informations- und Kommunikationssysteme genannt. Man denke nur daran, wie es wäre, wenn das oft mühsame Zusammentragen von Vorinformationen über neue SPZ-Patienten zugunsten einer – datenschutzrechtlich abgesicherten – systematischen digitalen medizinischen "Lifetime" entfallen könnte. Oder wie es wäre, wenn die oft monatelangen, teils verschlungenen Wege des Antragsverfahrens von Hilfsmitteln (von der Antragsstellung über das Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren bis hin zu Auslieferung und Erprobung und schließlich Anwendung durch die Patienten) über eine gemeinsame digitale Plattform laufen. Damit würden jederzeit für alle Prozessbeteiligten die einzelnen Schritte transparent.

Oder man stelle sich vor, wie die oft langen Anfahrtswege von Patienten gerade in ländlichen Regionen auf ein Minimum reduziert werden könnten, wenn "Telemedizin" – über die reine Telefon- oder Videosprechstunde hinaus – im großen Umfang auch digitale "Wearables" umfassen würden. Diese könnten dann eine Messung bestimmter relevanter Parameter vor Ort, deren Übertragung in Echtzeit und deren fachliche Interpretation sowie eine positive Beeinflussung durch die sozialpädiatrischen Profis ermöglichen. Zum Beispiel bei der Erfassung und Einordnung von epileptischen Anfällen. Zahlreiche weitere Beispiele dieser Art ließen sich problemlos finden.

Neuland betreten – ohne absehbares Ende

Innerhalb der DGSPJ wurde daher vor etwa 3 Jahren der Ruf immer lauter, den sozialpädiatrischen Akteuren eine Begleitung in einer Art Lotsenfunktion zur Seite zu stellen. Die hierfür notwendigen Personen sollten primär aus dem inneren Kreis rekrutiert werden. Anfang 2018 wurde schließlich der ZQAK beauftragt, eine neue Arbeitsgruppe mit dem vorerst unscharf definierten Titel "AG Digital" zu gründen.

Von Beginn an wurden dabei die Unterschiede zu den meisten anderen Arbeitsgruppen innerhalb der DGSPJ erkannt. So ist die "Digitalisierung" weder fachliches noch berufspolitisches "Kerngeschäft" der Sozialpädiatrie. Sozialpädiater und Sozialpädiaterinnen mit ausgewiesener Expertise durften höchstens als Rarität erwartet werden. Daneben galt es zu erkennen und anzuerkennen, dass es sich bei der Thematik weder um ein gut abgrenzbares Gebiet oder Projekt noch um eine Entwicklung mit absehbarem Ende handelt.

Mit dieser Eingangshypothek startete im Frühjahr 2018 die "AG Digitalisierung". Mit der Gründung und Leitung wurde Dr. Jens Teichler betraut, zum Stellvertreter wurde Dr. Ludger Kämmerling benannt. Recht bald konnte eine Gruppe von etwa 10 bis 15 aktiven Mitgliedern etabliert werden, die sich bis heute vor allem durch eine relativ große Stabilität ihrer personellen Zusammensetzung, ein hohes Maß an Motivation und Engagement und ein ausgesprochen teamorientiertes Agieren ihrer Mitglieder auszeichnet. Weitere Akteure kamen im Verlauf hinzu. Die Zusammensetzung der Gruppe spiegelt gut die Heterogenität der Sozialpädiatrie hinsichtlich der beruflichen Herkunft wider. So ist die Medizin, die Psychologie, der kaufmännische Bereich, die Patientenadministration und die IT vertreten. Die Werbung um ein AG-Mitglied aus einem therapeutischen Beruf läuft derzeit noch. Zunächst fanden jährlich 2 persönliche Treffen über 1 bis 2 Tage statt, kombiniert mit einer Reihe von Zwischenkontakten.

"Elektronische Patientenakte" und Telemedizin im Fokus

Für eine erste Arbeitsphase wurden hierzu einige Eckpunkte für Ziele und "Nicht-Ziele" erarbeitet. Als primäre Adressaten der AG wurden die Profis in der Sozialpädiatrie und nicht die Patienten oder deren Eltern definiert. Das Rollenverständnis der AG wurde mit der bereits genannten "Lotsenfunktion" umschrieben, was einer praktisch nicht leistbaren Einlassung auf konkrete Fragen und Probleme vor Ort vorbeugen sollte. Schließlich kam man überein, dass aufgrund der limitierten Ressourcen der AG-Mitglieder bei gleichzeitiger umfangreicher Themenpalette eine thematische Eingrenzung und Priorisierung unumgänglich sein würde. Dass dadurch die Außenwirkung der AG-Tätigkeit möglicherweise als "zu sehr abgrenzend" erlebt werden könnte, wurde bewusst eingepreist.

Um nicht an den Wünschen der Zielgruppe vorbei zu arbeiten, wurde als nächster Schritt eine Umfrage unter allen SPZ-Leitungen gestartet. Neben einer Abfrage verschiedener Aspekte des jeweiligen Ist-Zustandes der Digitalisierung vor Ort wurde eine Liste erwünschter prioritärer Aufgaben für die Arbeitsgruppe abgefragt. Nicht unerwartet wurde die "elektronische Patientenakte" an erster Stelle genannt, gefolgt von "Hard- und Software", "digitalem Wissens- und Informationsmanagement" und erst an letzter Stelle "Telemedizin".

Darauf aufbauend wurde innerhalb der AG beschlossen, im nächsten Schritt ein anbieterunabhängiges Anwenderformat zum Austausch über Patienteninformationssysteme bzw. Softwarelösungen zu etablieren. Dies sollte sich auf die in den SPZ am häufigsten verwendeten Patientenverwaltungs-Programme beziehen, welche zuvor systematisch abgefragt worden waren. Ein solcher Workshop war für 2020 im Rahmen des Jahreskongresses der DGSPJ in Berlin geplant. Leider fiel auch diese Veranstaltung vorerst der Pandemie zum Opfer. Dafür rückte jetzt Telemedizin unerwartet und sehr rasant an die oberste Stelle des allgemeinen Interesses. Die Arbeitsgruppe nahm dies zum Anlass, ad hoc eine systematische Zusammenstellung diverser Aspekte rund um die Videosprechstunde zu erarbeiten und innerhalb der DGSPJ-Mitglieder zu kommunizieren.

Kommunikationsplattform für die DGSPJ geplant

Auch die Arbeit der AG Digitalisierung musste dann durch die pandemiebedingten Umstände eine mehrmonatige Pause einlegen, bevor Anfang 2021 der Arbeitsmodus wieder reaktiviert werden konnte. Aktuelles Arbeitsthema ist jetzt die Auswahl und Vorbereitung einer komplett neuen Informations- und Kommunikationsplattform für die DGSPJ. Das Ergebnis soll im Herbst 2021 im Rahmen des diesjährigen Kongresses präsentiert und implementiert werden, im besten Fall zusammen mit dem nachgeholten Workshop zur "elektronischen Akte".

Parallel zur inhaltlichen Bearbeitung einzelner Themen stand von Beginn an die Vernetzung mit vergleichbaren Arbeitsgremien an. So gab es einen teils engen Austausch mit der "AG Digitalisierung" innerhalb der DGKJ und mit anderen relevanten Netzwerken. Gerade dieser Punkt dürfte in Zukunft verstärkt in den Fokus der Arbeit der Gruppe geraten, da sich zunehmend die Anfangshypothese bestätigt, dass sich die vielfältigen und oft komplexen Fragen rund um die digitale Transformation ohne externe, möglicherweise auch professionelle Unterstützung kaum befriedigend beantworten lassen. Aber auch das wäre eine originäre Aufgabe eines Lotsen: fremde Unterstützung anfordern, wenn es aus eigener Kraft nicht hinreichend funktioniert.

Zusammenfassend kann die Etablierung der AG Digitalisierung innerhalb der DGSPJ als ein notwendiger Schritt bewertet werden. Die Arbeitsergebnisse dieser Gruppe können eine Unterstützung aller sozialpädiatrischen Akteure bei der Bewältigung der aktuellen und kommenden Herausforderungen durch die digitale Revolution darstellen. Dabei müssen jedoch die Erwartungen realistisch definiert und Unterstützung außerhalb des inneren Zirkels der Sozialpädiatrie gezielt eingebunden werden. Aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Mitarbeit in der AG Digitalisierung sind jederzeit herzlich willkommen!



Korrespondenzadresse
Dr. med. Jens Teichler
Leitender Arzt
FA Kinder- und Jugendmedizin
SP Neuropädiatrie
Sozialpädiatrisches Zentrum
MVZ der Spitalstiftung Konstanz

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (3) Seite 198-203