Verblüffende Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie: Zwar betreuen 58 % von 1.700 Kindertageseinrichtungen Kinder mit Behinderung, aber 42 % nehmen immer noch ausschließlich Kinder ohne Behinderung auf.

Rund 1.700 Leitungen von Kindertageseinrichtungen im Rheinland haben sich an der Rheinland-Kita-Studie des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) beteiligt. Im Rahmen der 2-jährigen Untersuchung haben Forscher der Universität Siegen im Auftrag des LVR auch pädagogische Fachkräfte, Träger, Fachberatungen und Jugendämter nach dem Stand der Inklusion gefragt.

Warum nehmen immer noch knapp die Hälfte aller Einrichtungen keine Kinder mit Behinderungen auf? Ein Teil der Kita-Leitungen antwortete darauf, bislang keine Anfragen erhalten zu haben. Aber auch fehlende räumliche und personelle Ressourcen sowie zu wenig heilpädagogische Expertise im Team gehörten zu den oft genannten Gründen. Bedenken im Team und der Elternschaft sowie die Befürchtung, dass Nachteile für andere Kinder entstehen könnten, nannten die befragten Kita-Leitungen hingegen am seltensten.

Die größten Vorbehalte bestehen der Studie zufolge gegen die Aufnahme von Kindern mit geistiger Behinderung (30 %), Körper- (33 %) sowie Mehrfachbehinderung (58 %). Ein Großteil der Führungskräfte sieht jedoch keine Probleme bei der Aufnahme von Kindern mit einer Sprach- oder Sinnesbehinderung (Sprache: 1 %, Hören: 7,5 %, Sehen: 18 %), Entwicklungsverzögerung (1 %), chronischer Krankheit (6 %) oder Verhaltensstörung (7,5 %).
Überraschend für das Team um Projektleiter Prof. Dr. Rüdiger Kißgen von der Universität Siegen: Bei immerhin jeder fünften Kita, die Kinder mit Behinderung betreut, hat das pädagogische Konzept der Einrichtung keinen Bezug zum Thema Inklusion. Bei Kitas, die keine Kinder mit Einschränkungen betreuen, fehlt ein solches Konzept sogar bei jeder zweiten Einrichtung.

„Wir werden künftig alle neuen Einrichtungen und mittelfristig auch alle bestehenden Einrichtungen dazu auffordern, ein inklusives Konzept zu entwickeln“, kündigt LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr an. Allerdings müssen dann auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Zwingend erforderlich seien vor allem kleinere Gruppengrößen, mehr Räume und mehr Geld und Zeit, um gerade auch die Elternarbeit zu intensivieren.



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (4) Seite 230