Um Adipositas vorzubeugen, sollte man gesundheitsschädliche Lebensmittel (z. B. Chips, Softdrinks) einfach mit dem normalen Mehrwertsteuersatz von 19 % belegen, statt mit dem reduzierten von 7 %, schlägt Kinderarzt Stephan H. Nolte vor. Auch bei der Besteuerung von Impfstoffen sieht er Handlungsbedarf vonseiten des Staates.

Bekanntlich ist der Kuchen im Café teurer, wenn man ihn dort verspeist, als wenn man ihn dort einkauft und mitnimmt. Logisch, denkt sich der Kunde, schließlich kostet der Service auch Geld. Dahinter steckt aber etwas ganz anderes: Der Mehrwertsteuersatz für Nahrungsmittel beträgt 7 %, für Serviceleistungen 19 %. Das heißt, dass der im Café verkaufte Kuchen mit 7 %, der dort verzehrte Kuchen mit 19 % besteuert wird. Vor allem das ist der Grund dafür, dass er für den Endverbraucher teurer ist.

Lebenswichtige Dinge wie Nahrungsmittel werden mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % veranlagt. Für Grundnahrungsmittel wie Milch, Obst, Gemüse, Getreide und Brot ist das sicher sinnvoll. Aber muss das auch für gesundheitsschädliche und letztlich überflüssige Luxusnahrungsmittel gelten?

Bevor wir über eine besondere Zuckersteuer diskutieren, um der zunehmenden Adipositas vorbeugen zu wollen, gibt es einen einfachen Weg, der keine administrative Sondersteuer notwendig macht: Verarbeitete Nahrungsmittel (processed food), von denen wir wissen, dass sie für die Gesundheit problematisch sind, sollten einfach nur mit dem normalen Steuersatz von 19 % belegt werden, die den Serviceanteil, das processing mit beinhalten: Das kann dann für die Tiefkühlpizza ebenso gelten wie für die Chipstüte und die Softdrinks.

Dadurch würden sich gesundheitsschädliche Produkte um 12 % verteuern, ohne dass eine Sondersteuer und eine neue komplexe bürokratische Struktur mit vielen weiteren kontroversen Diskussionen in die eine oder andere Richtung eingeführt werden muss. Mit den Mehreinnahmen, die dann generiert werden, sollten dann aber auch gezielt sowohl wirksame Präventionsmaßnahmen als auch unabhängige Forschungen finanziert werden. Hier besteht finanziell wie strukturell ohnehin gravierender Nachholbedarf.

Auf der anderen Seite sollte für Impfstoffe und Medikamente, die zur Zeit mit 19 % besteuert werden, ebenfalls ein reduzierter Steuersatz gelten. Entweder man ist der Ansicht, dass diese für die Grundbedürfnisse der Menschen notwendig sind, und besteuert sie konsequenterweise wie Grundnahrungsmittel, oder man hält eine Luxusbesteuerung für angemessen, wie es derzeit der Fall ist. Dadurch nimmt der Staat fast ein Fünftel der für Medikamente ausgegebenen Gelder wieder ein, ein Anreiz, der hochpreisige Medikamente auch für den Staat äußerst lukrativ und eine Klage über überteuerte Medikamente politisch unglaubwürdig macht.

Wenn wir die Fehlernährung und die Adipositas wirkungsvoll bekämpfen wollen, wäre eine "normale" Besteuerung gesundheitsschädlicher Nahrungsmittel der erste und wichtigste Schritt, zumal mit einer solchen Maßnahme keinerlei neue Gesetzgebung auf den Weg gebracht werden muss. Und wenn in demselben Schritt Impfstoffe und Medikamente mit einem reduzierten Steuersatz belegt werden könnten, würde das Gesundheitswesen erheblich billiger werden. Da nichts gegen diese Vorschläge spricht, wäre es überfällig, dass der Staat nun endlich handelt!



Autor:
© Angelika Zinzow

Dr. Stephan Nolte, Marburg/Lahn

Dr. med. Stephan Heinrich Nolte ist seit über 25 Jahren in Marburg als Kinder- und Jugendarzt niedergelassen, ist Lehrbeauftragter an der Universität Marburg, Fachjournalist und Buchautor. Er hat 5 Kinder und 9 Enkelkinder.


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (5) Seite 312