Druckausübung, Drohungen und aggressives Verhalten von Eltern oder anderen Angehörigen - auch in der Pädiatrie müssen sich stationär tätige Ärzte und medizinisches Personal vermehrt mit solchen Vorfällen auseinandersetzen.

Aggressionen und Gewalt gegenüber Ärzten und nicht ärztlichen Mitarbeitern in Kinderkliniken nehmen insbesondere in emotional aufgeladenen Situationen zu. Dies geht aus Daten von 2 bundesweiten Befragungen in den Jahren 2009 (n = 160) und 2017 (n = 190) hervor, die jetzt erstmals in der Monatsschrift Kinderheilkunde veröffentlicht wurden. Gleich 4 von 5 Befragten räumten dabei ein, jemals Ziel einer aggressiven Handlung von Eltern oder Angehörigen gewesen zu sein. Aggressives Verhalten sehen somit fast 3 von 4 stationär tätigen Pädiatern im Jahr 2017 als zunehmend relevant und damit auch belastend für ihren beruflichen Alltag an. Im Jahr 2009 waren es erst gut 50 % und damit lediglich jeder zweite Befragte. Auch die Häufigkeit der Anschuldigungen und Attacken (im Schnitt viermal pro Jahr, in Extremfällen bis zu 60-mal in jedem Jahr) überrascht.

Die aggressiven Handlungen finden in Form von Druckausübung durch Androhungen statt. Dies betrifft zum Beispiel die diagnostische oder therapeutische Entscheidung durch Androhung einer Beschwerde bei Vorgesetzen (48,1 % im Jahr 2009, 51,1 % im Jahr 2017) oder durch die Drohung, einen Rechtsanwalt einzuschalten (20,6 % zu 27,9 %). Auch die Schärfe der Drohungen nimmt drastisch zu. Die Spanne reicht hierbei von Androhung auf „Anklage und Entziehung der Approbation“, bis hin zu einer „Bombendrohung gegen die Klinik aufgrund einer Wartezeit von 1 Stunde in der Ambulanz.“

Kommentar:
Von Bürgermeistern sind wir es ja fast schon gewohnt, doch jetzt schwappt die Welle von Aggressionen und Gewaltandrohungen auch auf die Pädiatrie über. Zumindest in manchen Kinderkliniken. Wer als stationär tätiger Kinder- und Jugendarzt gerade in den ohnehin schwierigen Pandemie-Zeiten jetzt auch noch mit Drohungen von Angehörigen wie „Ich mache Sie fertig. Sie werden Ihres Lebens nicht mehr froh.“ auseinandersetzen muss, wird seines Lebens nicht mehr froh. Als einzelner Pädiater ist man dagegen nahezu machtlos. Nur als Gesellschaft können wir uns gemeinsam diesen Hasstiraden entgegenstellen, indem wir diese hörbarer als bislang anprangern und auch häufiger vor Gericht bringen.


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (1) Seite 9