Jugendliche haben nur wenig Bock auf Jugendmedizin. Doch auch der zeitliche Spielraum der Pädiater ist sehr begrenzt, Adoleszente gezielt und nachhaltig zu behandeln.

Die Jugendmediziner haben bei ihrem 24. Bundeskongress in Weimar heftige Kritik daran geübt, dass die Jugendmedizin in Deutschland immer noch ein Schattendasein fristet. So stellte der Co-Kongressleiter, Dr. Burkhard Ruppert, ernüchternd fest, dass junge Patienten ausgerechnet im Adoleszentenalter, in dem auch aus gesundheitlicher Sicht viele Weichen für das Leben gestellt würden, jegliche Arztbesuche meiden würden. Auch die Vorsorgeangebote würden flächendeckend nur spärlich wahrgenommen. Die genau vor 20 Jahren eingeführte Jugendgesundheitsuntersuchung (J1) wird heute nur von 43 % aller Jugendlichen in Deutschland wahrgenommen. Bisher sei dies aber politisch kaum zur Kenntnis genommen worden, was laut Ruppert ein "schwerwiegender gesundheitspolitischer Fehler" sei. Die Geringschätzung jugendmedizinischer Themen zeige sich auch darin, dass in Gesetzen und Verordnungen bis heute immer vom Kinderarzt gesprochen werde. Dabei erinnerte Ruppert in Weimar daran, dass bereits vor Jahrzehnten in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern der Terminus "Kinderarzt" durch "Kinder- und Jugendarzt" ersetzt worden ist.

Co-Kongressleiter Michael Achenbach wies darauf hin, dass die Pädiater derzeit gar nicht mehr Jugendliche versorgen könnten. Achenbach: "Wir stöhnen schon lange unter der Last der Termine." Für die Kinder- und Jugendärzte stelle sich erst gar nicht die Frage, ob sie mindestens 20 oder 25 Stunden pro Woche für die Patienten bereitstehen sollen. Vielmehr seien heute Arbeitszeiten von "40, 50 oder noch mehr Stunden" die Regel. Die von der Politik gewünschte "Kosmetik der Zeiten auf den Praxisschildern", auf denen mindestens 25 Öffnungsstunden ausgewiesen werden sollen, werde keinerlei zusätzliche Behandlungskapazitäten in der Kinder.-und Jugendmedizin schaffen. Deshalb sei es dringend notwendig, die Bedarfsplanung auf die veränderten Gegebenheiten in einer Pädiaterpraxis und stärker auf die Bedürfnisse der jungen Ärztegeneration auszurichten.

Kommentar:
Das ist wahrlich ein großes Dilemma! Da ist die eine Gruppe Adoleszenter, die einen Arztbesuch tunlichst vermeiden oder möglichst lange hinausschieben will. Und da sind andere junge Menschen, die gar nicht wissen, welcher Arzt für sie der richtige ist: Der Pädiater mit all den Babys und Kleinkindern in der Praxis oder der Allgemeinarzt/Internist, bei dem überwiegend Senioren auflaufen? Was folgt daraus? Die Jugendmedizin dümpelt weiter vor sich hin. Doch wann lernen die politisch Verantwortlichen und die involvierten ärztlichen Fachgruppen, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen und das Fach endlich ernst zu nehmen?


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (5) Seite 306