Über 200 Teilnehmer, Politprominenz, Vorträge, Podiumsrunden mit betroffenen Familien, der Eltern-Selbsthilfe und Fachleuten und am Ende die Verabschiedung des Berliner Appells. Die Jubiläumstagung "25 Jahre Kindernetzwerk" fand Anfang März in Berlin statt.

Familien mit schwerwiegend erkrankten Kindern und Jugendlichen brauchen gerade in den Anfangsjahren nach der Diagnose Lotsen, die Kinder mit hohem Versorgungsbedarf durch den Gesundheits- und Bürokratiedschungel führen. Bereits erfolgreiche Lotsenprojekte sollten daher rasch in die Regelversorgung überführt und neue Lotsenmodelle auf den Weg gebracht werden.

Diese Forderung haben die mehr als 200 Teilnehmer – unter ihnen auch die DGSPJ-Vorsitzende Prof. Ute Thyen – formuliert, die an der Jubiläumstagung „25 Jahre Kindernetzwerk e. V.“ in der Charité in Berlin teilgenommen haben. „Dank der nachhaltigen Arbeit der Patienten und Elternselbsthilfe und des Kindernetzwerkes ist das Glas halb voll!“ sagte Ute Thyen dazu auf dem Podium. Nur die Selbsthilfe könne gleichermaßen die Autonomie, d. h. die Selbstbestimmung der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen und der Angehörigen fördern wie auch das Vertrauen in Gemeinschaft und Unterstützung stärken. Thyen: „Jetzt müssen wir aber noch die Familien verstärkt in den Blick nehmen, die doppelt benachteiligt sind. Entweder durch die Krankheit und Behinderung und zugleich durch Armut oder durch Benachteiligungen als Folge sprachlicher und kultureller Unterschiede.“

Unterstützt wurden die Teilnehmer maßgeblich von Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die die Schirmherrschaft der Jubiläumstagung übernommen und zugleich auch ein Grußwort an die Teilnehmer gerichtet hat. Der Name Kindernetzwerk sei mehr als ein Titel, so Elke Büdenbender: „Er ist Programm. Ein Netz im besten Sinn. Es fängt uns auf, es umfängt uns, kann uns Halt geben, und Struktur auch. Was muss ich wissen, was kann ich tun, was darf ich hoffen? – darum geht es. Das zu wissen, darüber aufgeklärt zu werden, ist für Familien in einer solchen Situation existenziell.“ Wer auf diese Weise seinen eigenen Weg finden und beschreiten könne, könne durchaus ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen, in dem Krankheit oder Behinderung nicht die Grenzen bestimmten.

Lutz Stroppe, Staatsekretär im Bundesministerium für Gesundheit, würdigte vor allem den unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz des Kindernetzwerks, bereits ein Vierteljahrhundert lang „Brücken von der Arztpraxis bzw. dem Krankenhaus hin zu der Lebenswelt der kleinen Patientinnen und Patienten“ gebaut zu haben.
Dabei wurde lange Zeit verkannt, dass „Eltern die eigentlichen Spezialisten gerade bei chronischen Krankheiten und seltenen Erkrankungen sind“, stellte Prof. Dr. Dr. h.c. Hubertus von Voß, Ehrenvorsitzender von Kindernetzwerk e. V. und früherer Vorsitzender der DGSPJ bei seinem Rückblick heraus. Sein Credo lautet: „Kranke Kinder und Jugendliche müssen vor jeder Stigmatisierung bewahrt werden.“

Bei der Erfüllung der spezifischen Bedürfnisse von pflegebedürftigen Kindern sei man hier auf einem guten Weg. Nach den Ergebnissen der KNW-Versorgungsstudie stufen ¾ der Befragten die Pflegebedürftigkeit und den Pflegegrad heute als angemessen ein. 10 Jahre zuvor lag diese Quote gerade einmal bei 50 %.

Dennoch bleibt auch in Zukunft noch viel zu tun. Dies wurde insbesondere beim Vortrag von Prof. Klaus-Peter Zimmer, fachlicher Leiter der Jubiläumstagung und Direktor des Zentrums für Kinderheilkunde und Jugendmedizin an der Universität Gießen, deutlich. Er rückte die drastischen Folgen der Ökonomisierung der Medizin für chronisch kranke Kinder und junge Menschen in den Fokus. Sein ernüchterndes Fazit: Während wir in Teilen der Medizin – etwa bei Operationen, Herzkathetern und Laborleistungen – mit einer Überversorgung konfrontiert werden, sind Kinder mit chronischen und seltenen Erkrankungen teilweise eklatant unterversorgt. Zimmer plädierte daher unter anderem für die Schaffung zusätzlicher Zeitziffern in der Pädiatrie und die finanzielle und strukturelle Stärkung sowohl der Sozialpädiatrie wie auch der pädiatrischen Hochleistungsmedizin. Zudem müssten Eltern und die Selbsthilfe bei Versorgern, Politik und Leistungsträgern ein stärkeres Mitspracherecht erhalten.

Weitere Forderungen stehen im Berliner Appell 2018, zu finden auf www.kindernetzwerk.de


Autor
Raimund Schmid, Geschäftsführer Kindernetzwerk e. V.


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (3) Seite 170