Was genau hat es mit den Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) in der Pädiatrie auf sich, speziell mit Blick auf sozialpädiatrische Fachkliniken?

Die Beurteilung der Entwicklung und des Verhaltens von Kindern ist komplex und stellt große fachliche Anforderungen. Neben dem nahezu flächendeckenden spezialisierten Netz der Sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland stehen hierzu auch die Fachkliniken für Sozial- und Neuropädiatrie zur Verfügung. Sie bieten zusammen mit den Abteilungen der Neuropädiatrie sowie Pädiatrischen Psychosomatik in den Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin komplementär zur primär ambulant angelegten Versorgung ergänzende Behandlungsoptionen.

In den Fachkliniken stellt der Pflege- und Erziehungsdienst PED das Rückgrat der Behandlung dar. Ärztliche, psychologische, therapeutische und pädagogisch-erzieherische Expertise ist in der interdisziplinären Zusammenarbeit des multiprofessionellen Teams unverzichtbar, um diffizile Fragen zur Entwicklung zu klären und teilweise für Patient und Familie belastende Verhaltensprobleme passgenau angehen zu können. Dies alles ist aber nur umsetzbar im unmittelbaren Zusammenwirken mit den Kolleginnen und Kollegen des PED.

Deshalb wird in den spezialisierten Fachkliniken sehr auf die notwendige Personalausstattung geachtet, die sich im DRG-System stringent aus den Vorgaben der OPS 9-403 "Sozialpädiatrische, neuropädiatrische und pädiatrisch-psychosomatische Therapie" ergibt. Aufgrund der besonderen Patientenklientel ist auch innerhalb des PED die multiprofessionelle Zusammenarbeit zielführend, wo sich somatisch-pflegerische und pädagogisch-erzieherische Kompetenzen ergänzen.

Pflegepersonaluntergrenzen zielen in die falsche Richtung

Das Bundesgesundheitsministerium hat am 09. 11. 2020 zum 01. 02. 2021 die Vorgabe von sanktionsbegleiteten Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) in der Pädiatrie zu erlassen, um die Träger der Kliniken zu verstärkten Bemühungen in diesem Bereich zu zwingen (www.gesetze-im-internet.de/ppugv_2021/PpUGV.pdf). Diese Maßnahme erstaunt, da mittlerweile nach jahrelangem Kostendruck mit daraus tatsächlich resultierenden personellen Sparmaßnahmen inzwischen ein separates Pflegebudget eingeführt worden ist, wo für die verstärkte Einstellung von Pflegepersonal bereits Positivanreize gesetzt werden. Dies scheitert derzeit aber häufig schlicht an der Tatsache, dass ausgebildete Fachkräfte nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Das gilt auch für die Kinderkrankenpflege. Da hilft nur wenig, dass die Krankenhausträger beim Pflegepersonal nicht mehr einem Sparzwang ausgesetzt sind.

Für die sozialpädiatrischen Fachkliniken ist die vorgesehene Pflegepersonal-Bemessungsgrenze völlig kontraproduktiv und sachfremd, da sie den hier notwendigen Personalanteil der pädagogisch-erzieherisch Tätigen überhaupt nicht berücksichtigt. Im Extremfall kann somit aus der theoretisch angedachten Verbesserung der Pflegepersonalsituation als drohende Sanktion die Schließung sozialpädiatrischer Spezialbetten resultieren.

Kontraproduktive Vorgaben sollten rasch korrigiert werden

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialpädiatrischen Fachkliniken fordert deshalb den Gesetzgeber mit Nachdruck auf, diese mit Sicherheit so nicht beabsichtigte Fehlentwicklung zu verhindern und die Vorgaben entsprechend zu korrigieren. Grundsätzliche Stellungnahmen zur Vorgabe des G-BA, die einen Großteil der bundesdeutschen Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin in ihrer Versorgungsfähigkeit und letztlich im Bestand gefährden, sind von der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland e. V. (GKinD, www.gkind.de) in Zusammenarbeit mit den pädiatrischen Fachgesellschaften erstellt worden.



Korrespondenzadresse
Dr. med. Helmut Hollmann
Chefarzt Kinderneurologisches Zentrum
LVR-Klinik Bonn

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (1) Seite 56