Eine aktuelle Studie aus Baden-Württemberg (JAMA Pediatr 2021) liefert Hinweise, dass die von Kindern ausgehende Infektionsgefahr gering ist und sich die Kinder eher bei den Eltern mit SARS-CoV-2 infizieren.

Wenn Kinder sich mit dem Corona-Virus infizieren, erkranken sie in der Regel weniger schwer als Erwachsene und gehören daher auch nicht zu den Risikopatienten. Nicht ausreichend geklärt ist bisher jedoch, wie weit Kinder zur Ausbreitung der Corona-Infektion beitragen und ob sie vielleicht sogar die Treiber der Pandemie als sogenannten Superspreader sind. Kitas und Schulen waren bzw. sind im Lockdown aufgrund dieser Unklarheiten trotz aller für Kinder und Familien negativer Folgen dennoch weitgehend geschlossen.
Eine Studie aus Baden-Württemberg liefert nun Hinweise, dass die von Kindern ausgehende Infektionsgefahr gering ist und sich die Kinder eher bei den Eltern mit SARS-CoV-2 infizieren. An der Studie nahmen 4.962 Personen teil (2.482 Kind-Eltern-Paare). Die Kinder waren zwischen einem und 10 Jahre alt, das durchschnittliche Alter der Eltern betrug 40 Jahre. 24,8 % der erwachsenen Teilnehmer waren männlich, bei den Kindern war das Verhältnis ausgeglichen. Die Paare wurden während des ersten Lockdowns zwischen April und Mai 2020 per Nasopharyngealabstrich und ELISA-Test auf eine aktive oder durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion hin untersucht. Ergebnis: Unter den Kind-Eltern-Paaren mit mindestens einem Infizierten kam es 4,3-mal so häufig vor, dass das Elternteil seropositiv war als das Kind. Es ist den Studienergebnissen zufolge also wahrscheinlicher, dass sich Kinder bei ihren Eltern infizieren, als umgekehrt (JAMA Pediatr 2021; online 22. Januar).
Allerdings zeigt eine andere bislang kaum bekannte Studie vom Oktober des vergangenen Jahres, dass es bei Kindern wohl doch mehr Corona-Infektionen gibt als vermutet. Die Studie des Helmholtz Zentrums München kommt zu dem Ergebnis, dass 6-mal mehr Kinder in Bayern mit SARS-CoV-2 infiziert waren als gemeldet. Dies verdeutlicht die Bedeutung bevölkerungsweiter Antikörper-Screenings zur Überwachung des Pandemieverlaufs. Die Studie beschreibt außerdem einen neuen Ansatz, um Antikörper gegen SARS-CoV-2 mit besonders hoher Genauigkeit zu messen. Ein Team um Anette-Gabriele Ziegler vom Helmholtz Zentrum München hat in den archivierten Blutproben nach Antikörpern gegen SARS-CoV-2 gesucht. Zum Einsatz kam ein eigens entwickelter Luciferase-Immunopräzipitations-Test (LIPS Assay), der auf einem ähnlichen Prinzip basiert wie der in der Studie eingesetzte Suchtest auf Insulinantikörper.
Unter den 11.884 Blutproben gab es 82 positive Ergebnisse mit Antikörpern gegen beide Virusbestandteile. Das sind für April bis Juli sechsmal so hohe Zahlen wie die vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung gemeldeten Fälle bei Kindern. Dass die tatsächlichen Infektionszahlen höher sind als die amtlich erfassten, liegt am milden Verlauf der Infektion: So konnten sich zwar die Eltern nur bei der Hälfte der Kinder an einige Symptome erinnern, die in der Regel aber nicht mit SARS-CoV-2 in Verbindung gebracht werden. Die andere Hälfte der Kinder war asymptomatisch gewesen.


Literatur
Hippich et al. (2020) Public health antibody screening indicates a six-fold higher SARS-CoV-2 exposure rate than reported cases in children. Med, DOI: 10.1016/j.medj.2020.10.003


Autorin
Katharina Maidhof-Schmid

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (2) Seite 74