Im Alter von 16 bis spätestens 21 Jahren fallen viele Adoleszente plötzlich aus der medizinischen Versorgung und Betreuung raus. Auch bei jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes ist das häufig der Fall.

Der Grund: Wenn die jungen Patienten von der pädiatrischen Betreuung in die Erwachsenenmedizin wechseln, bricht häufig der Kontakt zu einem Arzt oder zu einem spezialisierten Diabetologen ab. Dabei kann dieser als Transition bezeichnete Übergang durchaus besser gestaltet werden, bekräftigt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), die diese Thematik beim – wegen der Corona-Krise abgesagten – 63. Kongress für Endokrinologie in Gießen in den Fokus rücken wollte. Umso wichtiger sei es nun, über diese Problematik im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit aufzuklären.

In der Bundesrepublik leben rund 32.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit einem Typ-1-Diabetes. Jedes Jahr wechseln ungefähr 2.000 dieser jungen Patienten von der pädiatrischen ­Diabetologie in die Erwachsenenmedizin. „Bei rund 40 % der jungen Patienten wird die diabetologische Betreuung in dieser Zeit lückenhaft“, weil der Kontakt zum Erwachsenendiabetologen nur verzögert aufgebaut wird“, erläutert Prof. Dr. med. Thomas Danne, Chefarzt am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover. Dadurch steigt das Risiko für eine schlechtere Blutzuckereinstellung deutlich an: Nach dem Transfer in die Erwachsenenmedizin zeigen Jugendliche im Vergleich zu Altersgenossen, die noch pädiatrisch betreut wurden, ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für eine mangelhafte Blutzuckerkontrolle.

„Hier ist dringend ein Umdenken im Gesundheitswesen notwendig“, meint Prof. Dr. med. Stefan A. Wudy, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zwar gibt es bereits Modelle wie etwa das Berliner Transitionsprogramm, die den Übergang erleichtern sollen, die aber weder flächen- noch kostendeckend sind. Die Folgen der Betreuungslücken seien gravierend. Bei mangelnder Blutzuckerkontrolle steigt das Risiko für Diabetes-Folgeerkrankungen wie Sehschäden bis hin zur Erblindung, Nierenschäden, den diabetischen Fuß sowie für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich an.

Um die Transition zu erleichtern, sollten regionale Behandlungszentren etabliert werden, in denen sowohl pädiatrische als auch internistische Diabetesteams arbeiten, fordert Wudy. Von der dort gebündelten Expertise für junge Menschen mit Typ-1-Diabetes könnten letztlich auch die älteren Menschen mit Diabetes – etwa mit Hilfe neuer Diabetestechnologien – profitieren.



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2020; 91 (4) Seite 236