Im Mai hatte das Forschungsdepartement Kinderernährung (FKE) zur Tagung eingeladen. Rund 100 Teilnehmer tauschten sich über Ernährungsempfehlungen, Kinderernährungsforschung, Motivation, Kommuniation und vieles mehr aus. Ein Tagungsbericht.

Praktiker und Wissenschaftler aus den Bereichen Ernährung, Pädiatrie und Gesundheitswesen kamen auf Einladung des Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) der Universitätskinderklinik Bochum am 18. 05. 2019 zur Tagung "Kinderernährung im Fokus" zusammen (Organisation: Kongressgesellschaft Schmidt-Römhild; wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Thomas Lücke, Prof. Dr. Mathilde Kersting, PD Dr. Hermann Kalhoff). Moderiert von Herrn Professor Thomas Lücke, Direktor der Universitätskinderklinik Bochum, entstand im Kongresszentrum Media Docks in Lübeck eine facettenreiche Veranstaltung, bei der sich gut 100 Teilnehmer über aktuelle Themen der Kinderernährung austauschen konnten.

Ernährungsempfehlungen für gesunde und kranke Kinder

Mit Kenntnissen über die Entstehung von Nährstoffreferenzwerten gewinnen Multiplikatoren die Sicherheit, wissenschaftliche Erkenntnisse passgerecht in die Praxis umzusetzen. Professor Hildegard Przyrembel, Kinderärztin und langjährige Direktorin am Bundesinstitut für Risikobewertung zeigte am Beispiel der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit auf, wie Nährstoffreferenzwerte entwickelt werden und was diese Empfehlungen für eine sichere Nährstoffversorgung leisten können. Anschließend demonstrierte Professor Mathilde Kersting, Leiterin des FKE-Bochum, am Beispiel der FKE-Konzepte (Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr, Optimierte Mischkost), wie Nährstoffreferenzwerte maßgeschneidert in die Praxis umgesetzt werden können.

Wie viel Flexibilität in der Kinderernährung ist in der Praxis möglich oder notwendig? Am Beispiel vegetarischer Kostformen erläuterte Herr PD Dr. Hermann Kalhoff, stellvertretender Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Dortmund, das erhöhte Risiko für Nährstoffdefizite bei selbstgewählten restriktiven Kostformen und betonte die Notwendigkeit zu individueller Beratung und Betreuung. PD Dr. Anjona Schmidt-Choudhury, Oberärztin und Leiterin der Abteilung Pädiatrische Gastroenterologie & Hepatologie der Universitätskinderklinik Bochum, berichtete anschließend über besondere Herausforderungen in der Ernährung von behinderten Kindern und zeigte Möglichkeiten in der Betreuung und Versorgung der betroffenen Kinder und Familien auf.

Kinderernährungsforschung

Einblick in aktuelle Themen der Kinderernährungsforschung – so hieß der zweite Themenblock mit Kurzvorträgen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Forschungsdepartments Kinderernährung. Dr. Kathrin Jansen, stellvertretende Leiterin des FKE-Bochum, gab einen Überblick der Forschungsaktivitäten und stellte dabei u. a. die Nationale Stillstudie SuSe II und die CogniDo-Studienreihe zu Ernährung und Kognition vor. Anschließend präsentierten Alina Drozdowska, Beatrice Hanusch und Michel Schultz neue Befunde und experimentelle Ansätze aus dem FKE zu körperlicher Aktivität und Kognition, Ernährung/Knochengesundheit und Kognition und zur möglichen Rolle des knochenspezifischen Proteins Osteocalcin im zentralen Nervensystem.

Zukunft der Kinderernährung

Die Zukunft der Kinderernährung stand im Zentrum des nachmittäglichen Themenblocks. Den Auftakt bildete die Bedeutung pränataler Programmierung für die spätere Gewichtsentwicklung und Kindergesundheit, vorgestellt von Professor Regina Ensenauer, Kinderärztin und Leiterin des neuen Instituts für Kinderernährung am Max Rubner Institut in Karlsruhe. Mit seinem Vortrag zu Kinderernährung und Ernährungsmedizin weitete der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, PD Dr. Frank Jochum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau, den Blick auf die Frage nach einer gesunden Ernährung nicht nur für gesunde, sondern auch für kranke Kinder.

Motivation und Kommunikation

Wie können Menschen – und speziell Kinder – zu einer gesunden Ernährung motiviert werden? Die Entwicklung des menschlichen Entscheidungsverhaltens im Kontext von Ernährung und Nahrungswahl war Thema des Vortrags von Frau Ilinca Serbanescu (MSc), Psychologin am "Center for Economics and Neuroscience" der Universität Bonn (Leiter: Professor Dr. Bernd Weber). Anschließend demonstrierte Dr. Heidrun Thaiss, Kinderärztin und Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, den wichtigen Beitrag öffentlich geförderter Institutionen zur Information und Kommunikation über gesunde Ernährung und für den multimodalen Transfer von Wissen in die Bevölkerung.

Podiumsdiskussion und Fazit

Wie können die Möglichkeiten einer gesunden Kinderernährung möglichst gut umgesetzt und auch langfristig präventiv genutzt werden? Darum ging es in einer Podiumsdiskussion mit Experten zum Abschluss der Veranstaltung. Neben Dr. Thaiss und PD Dr. Jochum stellten sich auch Dr. Jutta Vogel-Kirklies, Kinderärztin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen, und PD Dr. (rer. pol.) Diana Sonntag, Leiterin des Querschnittsbereichs Gesundheitsökonomie am Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Universität Heidelberg, den Fragen des Moderators und Fragen aus dem Publikum.

Zum Abschluss des gelungenen Fortbildungstages im neuen Format bestand Einigkeit, dass sektorübergreifende Kooperation und neue Wege der Kommunikation den notwendigen Transfer von Wissen über gesunde Kinderernährung in die Familien erleichtern. Die große Bedeutung ernährungsmedizinischer Kenntnisse für die Kindergesundheit muss verstärkt in der Gesellschaft, der Politik und den assoziierten Berufsgruppen bekannt gemacht werden.

Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen soll ein derartiges Symposium unbedingt wiederholt werden.



Korrespondenzadresse
PD Dr. med. H. Kalhoff
Stellvertr. Direktor
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Klinikum Dortmund gGmbH
Beurhausstraße 40
44137 Dortmund
Tel.: 02 31/95 32 17 00
Fax: 02 31/95 32 05 76

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt in Zusammenhang mit diesem Beitrag besteht.


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (6) Seite 440-443