Dr. Christian Fricke, der bisherige Präsident der DGSPJ, und Dr. Helmut Hollmann, der bisherige Vizepräsident, ziehen Bilanz aus der DGSPJ-Vorstandsperiode 2013 bis 2016 und geben Ausblicke.

Die zu Ende gehende Vorstandsperiode war gekennzeichnet durch eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit des gesamten Vorstands und mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die sich in Fachausschüssen, als Tagungspräsidenten, Beauftragte und Delegierte für die Belange unserer Fachgesellschaft engagiert haben. Ihnen danken wir an dieser Stelle nochmals ganz herzlich. Dem neuen Vorstand wünschen wir ein gutes Gelingen.

Politische Rahmenbedingungen

Herausragende Aufgaben der Sozialpädiatrie sind Prävention und Gesundheitsförderung. Angesichts zahlreicher Gesetzesinitiativen hat sich der Vorstand der Fachgesellschaft intensiv auf der politischen Ebene betätigt. Die Konkretisierung von Maßnahmen aus dem Präventionsgesetz wird in den kommenden Jahren anstehen. Gleiches gilt für die Weiterentwicklung des Kinderschutzgesetzes, wo Datenerhebungen und Fachdiskussionen durch die DGSPJ befördert wurden. Ebenso hat sich die DGSPJ aktiv an der Kommentierung und kritischen Aufarbeitung der Entwürfe zum neuen Bundesteilhabegesetz sowie den Anhörungen zur sogenannten inklusiven Lösung des SGB VIII beteiligt. Unsere langjährige Forderung zur Einsetzung eines Kinder- und Jugendbeauftragten im Deutschen Bundestag wurde von der DAKJ aufgegriffen. Eine sehr erfolgreiche Petition wurde vom zuständigen Bundestagsausschuss aber bislang noch nicht beantwortet. Unverändert stehen wir gemeinsam mit den anderen Fachverbänden der Kinder- und Jugendmedizin ein für eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz.

Die angestrebte Reform des Pflegeausbildungsgesetzes, mit der die Ablösung der qualifizierten Ausbildung zur Kinderkrankenschwester durch eine einheitliche Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege (inklusive der Altenpflege) verbunden wäre, konnte durch gemeinsame Anstrengung aller pädiatrischen Verbände zumindest aufgeschoben werden. Die weitere Entwicklung in der nächsten Legislaturperiode bleibt abzuwarten.

Zusammenarbeit mit anderen Fachverbänden

Der Vorstand der DGSPJ hat sich sowohl auf Vorstandsebene als auch in den Kommissionen umfassend in die Arbeit der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) eingebracht. Den eingeleiteten systematischen Dialog mit den Verbänden der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Definition und Ausgestaltung der psychosomatischen Versorgung und die Initiative der DAKJ zu einer weiteren Annäherung hält die DGSPJ für unabdingbar und unterstützt diesen bewusst. Ebenso beteiligt sich die DGSPJ aktiv an den Workshops zur Zukunftsgestaltung der Versorgungslandschaft in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Die kooperative Zusammenarbeit mit den anderen Fachgesellschaften in der DAKJ – insbesondere auch zur langfristigen Sicherung einer flächendeckenden kompetenten pädiatrischen Versorgung in einem gut gegliederten Versorgungssystem – wird die DGSPJ unverändert fortsetzen.

Weiterbildung

Eine wichtige Aufgabe wartete auf den Vorstand gleich zu Beginn der Amtsperiode. Nach intensiven Diskussionen in der Weiterbildungskommission der DAKJ konnte erreicht werden, dass die DGSPJ einen Vorschlag für die Etablierung einer Zusatzweiterbildung (ZWB) "Spezielle Sozialpädiatrie" auf der Diskussionsplattform wiki.baek einstellen konnte. Da der gesamte Prozess der Neugestaltung der Musterweiterbildungsordnungen (MWBO) dann von der Bundesärztekammer komplett ausgesetzt und erst jetzt aktuell neu aufgesetzt wird, bleibt es Aufgabe auch für den kommenden Vorstand, die Belange der Sozialpädiatrie adäquat in die MWBO für den Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin einzubringen.

Die Einführung einer ZWB "Spezielle Sozialpädiatrie" hält die DGSPJ insbesondere auch vor dem Hintergrund der Diskussion um psychosomatische Versorgungsstrukturen innerhalb der Pädiatrie unverändert für notwendig.

Die Zusatzweiterbildung ist nicht zu verwechseln mit dem von der Bundesärztekammer eingeführten Curriculum "Entwicklungs- und Sozialpädiatrie für die kinder- und jugendärztliche Praxis" (30 h Theorie und 10 h praktische Übungen z. B. in SPZs), das die sozialpädiatrische Tätigkeit in der Praxis unterstützen soll. Entsprechende Fortbildungsangebote sind in den Jahren 2015 und 2016 bundesweit in Kooperation zwischen SPZ, niedergelassenen Kollegen, Landesärztekammern und KVen sehr erfolgreich umgesetzt worden. Etwa 2.000 Pädiater haben das Curriculum durchlaufen. Damit ist eine umfassende ergänzende Qualifizierung für die entwicklungs- und sozialpädiatrische Tätigkeit in der Praxis erreicht worden, die in Verbindung mit der parallel eingetretenen adäquaten Vergütung dazu führen wird, diese Kerntätigkeiten im praktischen ambulanten Versorgungsalltag zukünftig breiter durchzuführen.

Fortbildung

Mit Beginn der gemeinsamen Jahrestagung der kinder- und jugendmedizinischen Fachgesellschaften 2015 in München erreichte die Flüchtlingswelle Deutschland. Lange im Voraus hatte unser Tagungspräsident Volker Mall als ein Schwerpunkt-Thema die Versorgung von Kindern mit Migrationshintergrund geplant. Wieder einmal stellte unsere Fachgesellschaft so mit dem Thema "Transkulturelle Pädiatrie" einen hochaktuellen Tagungsschwerpunkt. Auch zukünftig wird es eine unserer wichtigsten Aufgaben sein, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu sichern und zu verbessern. Die DGSPJ unterstützt mit dem mit 1.000 Euro dotierten Preis "Transkulturelle Pädiatrie" entsprechende Forschungsaktivitäten.

Als neues Fortbildungsformat im Frühjahr für Mitarbeitende aus den SPZs wurde das gut angenommene "Forum Sozialpädiatrie" entwickelt und der frühere sogenannte Forschungstag in die Jahrestagung integriert.

Neben den gemeinsamen Jahreskongressen der pädiatrischen Fachgesellschaften lockte das Fortbildungsangebot des Herbstkongresses unter der Leitung von Helmut Hollmann Jahr für Jahr mehr Teilnehmer nach Brixen.

Sehr erfolgreich war auch der Focus Cerebralparese 2016 (gemeinsam mit der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Arbeitsgemeinschaft Kinderorthopädie, Volker Mall).

Qualitätszirkel und Versorgungsforschung

Der Zentrale Qualitätsarbeitskreis der BAG SPZ unter Leitung von Peter Borusiak erarbeitet kontinuierlich Papiere zur Qualitätssicherung in der Sozialpädiatrie und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Projekten der Versorgungsforschung in der Sozialpädiatrie. 2014 wurde eine Überarbeitung des "Altöttinger Papiers" zur Struktur- und Prozessqualität in SPZs abgeschlossen, insbesondere auch im Hinblick auf Versorgungsangebote für Patienten mit chronischen Erkrankungen. Weitere Arbeitsgruppen bearbeiten die Themenbereiche "Transition", "sozialpädiatrische Versorgungsstrukturen" und "Register für seltene Erkrankungen im SPZ" und Einführung der ICF-CY in die tägliche Arbeit der SPZs.

Die Mitarbeit an zahlreichen Leitlinien wird durch Ute Mendes hervorragend koordiniert und begleitet.

Das von der interdisziplinären verbändeübergreifenden Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsdiagnostik erarbeitete Stufenkonzept (sog. IVAN-Papier), welches den entwicklungsdiagnostischen Prozess in 3 Stufen gliedert (standardisierte Früherkennungsuntersuchungen nach dem Grenzstein-Konzept – praxisgerechte standardisierte Basisdiagnostik – Mehrdimensionale Bereichsdiagnostik in der Sozialpädiatrie (MBS) und bedarfsweise Überweisung in Institutionen wie SPZs), wurde konsentiert (Koord.: Ronald G. Schmid). Es beschreibt insbesondere die Schnittstellen zwischen den Praxen der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte und den SPZs als spezialisierten Versorgungseinrichtungen und wird aktuell bezogen auf die daraus resultierenden therapeutischen Interventionen weitergeführt.

Organisatorische Weiterentwicklung der DGSPJ

Die inhaltliche Arbeit wurde durch eine Reihe organisatorischer Veränderungen und Weiterentwicklungen flankiert. So wurde die Satzung in zwei Schritten (2013 und 2016) angepasst, insbesondere auch, um eine Grundlage für eine professionellere Vorstandstätigkeit mit der Möglichkeit zur Aufwandsentschädigung zu schaffen. Diesem Ziel diente auch die Anpassung der Beitragsstruktur mit Einrichtung einer korporativen Mitgliedschaft (Sozialpädiatrische Zentren, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens etc.).

Die Homepage wurde inhaltlich und technisch vollständig erneuert (Federführung Peter Borusiak).

Im Rahmen der DAKJ hat sich der Vorstand der DGSPJ umfassend in die dortige Vorstandsarbeit eingebracht. Die Zusammenarbeit mit den beiden großen pädiatrischen Verbänden DGKJ und BVKJ konnte so sehr konstruktiv und zukunftsweisend gestaltet werden.

Transition

Nach Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die Einführung der Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) im §119c des SGB V gestaltete sich die konkrete Umsetzung schwierig. Erst im zweiten Halbjahr 2016 erfolgten erste Zulassungen. Die DGSPJ unterstützt die Bundesarbeitsgemeinschaft der MZEB bei diesbezüglichen Gesprächen mit den Kostenträgern auf Bundesebene aktiv.

Prävention und Inklusion

Ein weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten der DGSPJ liegt bei der konkreten Umsetzung des Präventionsgesetzes. Für Krippen und Kitas fordert die DGSPJ, unterstützt durch mehrere Pressekampagnen (Ulrike Horacek, Raimund Schmid), einen Personalschlüssel, der den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung trägt, sowie gleichzeitig die Förderung einer adäquaten Qualifikation der Erzieherinnen. Derzeit erleben wir bundesweit unverändert eine ganz andere Realität. Die anhaltende Debatte über die Umsetzung der Inklusion in Kindergärten und Schulen zeigt, dass erheblicher Nachholbedarf besteht bzgl. finanzieller Rahmenbedingungen, die für eine angemessene personelle und fachliche Ausstattung erforderlich sind und so das Kindeswohl zuverlässig sichern.

Frühe Hilfen

Von unverändert hoher Relevanz ist die Vernetzung mit Einrichtungen der Frühen Hilfen. Die DGSPJ beteiligt sich aktiv an der BAG Gesundheit und Frühe Hilfen (BAG GuFH).

Kinder- und Jugendärztlicher Dienst im ÖGD

Eine zukunftsfähige und präventiv ausgerichtete Politik für Kinder und Jugendliche braucht einen leistungsfähigen öffentlichen Gesundheitsdienst. Neben dem Einsatz für die notwendige Verbesserung finanzieller Rahmenbedingungen hat sich die DGSPJ für die Einführung von "Schulgesundheitsschwestern" eingesetzt. Diesbezüglich gibt es erste Ansätze auf Länderebene.

Pressearbeit

Die Kinderärztliche Praxis als Zeitschrift der Gesellschaft erreicht unverändert einen sehr großen Leserkreis mit ausgezeichneter Resonanz (LA-MED-Umfrage 2016).

Die Pressekampagnen der letzten Periode thematisieren dringende Handlungsbedarfe bei der Gesundheitsversorgung zuwandernder Kinder, notwendige neue Versorgungsansätze für sozial benachteiligte Kinder und die Forderung nach Einsetzung eines Kinder- und Jugendbeauftragten im deutschen Bundestag. Die Texte sind eingestellt unter www.dgspj.de.


Dr. Christian Fricke, (bis 31. 12. 2016 Präsident der DGSPJ)

Dr. Helmut Hollmann, (bis 31. 12.2016 Vizepräsident der DGSPJ)


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (1) Seite 62-64