Die Pandemie hat viele Nachteile und Verluste im SPZ mit sich gebracht. Aber gibt es nicht auch gute Erfahrungen aus dieser Zeit, die es wert sind, bedacht und behalten zu werden? Ein Blick auf die aktuelle Lage aus dem Berliner SPZ im Vivantes-Klinikum.

Als die Pandemie im Frühjahr dieses Jahres auch über unsere SPZ hereinbrach, lagen die Nachteile und Verluste auf der Hand. Wir alle waren beschäftigt mit der Frage, wie wir eine sinnvolle und notwendige Betreuung unserer Patienten gestalten können und was zur wirtschaftlichen Absicherung der SPZ nötig ist.

Als sich das Berliner SPZ im Vivantes-Klinikum im Friedrichhain von den ersten Strapazen erholt hatte und zum Regelbetrieb zurückzukehren begann, tauchte im Team die Frage auf, ob wir nicht auch gute Erfahrungen gemacht hatten in dieser Zeit, die es wert sind, bedacht und behalten zu werden.

Wir haben festgestellt, dass sich mit häufigen und kurzen Telefonaten manche Dinge besser lösen ließen als mit Wiedervorstellungen in größeren Abständen. So ließen sich unter den Bedingungen des Home-Schooling sehr gut medikamentöse Einstellungen zur Konzentrationsverbesserung optimieren und (Ein-)Schlafstörungen behandeln. Auch eignen sich Telefonate sehr gut, um mit den Eltern Dinge auszuwerten oder zu besprechen, bei denen die Kinder primär nicht dabei sein sollten. Gerade für Eltern von Zwillingen oder Drillingen ist nach einer Vorstellung im SPZ wenig Raum für eine Beratung, da gleichzeitig die von dem Termin erschöpften Kinder betreut werden müssen. Ein sich zeitnah anschließendes Telefonat in der Mittagsschlafzeit oder am Vormittag kann ein entspannteres Gespräch mit aufnahmefähigeren Eltern bedeuten.

Auch die telefonische Anamneseerhebung wurde bei manchen Familien als Vorteil gesehen: Der erste Untersuchungstermin im SPZ konnte so gezielter geplant und vorbereitet werden.

Statt der interdisziplinären Austauschgespräche mit Eltern, Erziehern, Lehrern und weiteren Bezugspersonen bzw. Ämtern wurden Telefonkonferenzen durchgeführt. Diese erweisen sich bei stringenter Gesprächsleitung als äußerst effektiv. Durch den Wegfall von Wegezeiten waren auch häufigere und kürzere Termine realisierbar, die ein schnelleres Reagieren auf neue Entwicklungen ermöglichten. Eine feste Telefonkonferenz-Nummer im SPZ werden wir auch nach Ende der Pandemie behalten.

Videotermine fast so wertvoll wie Hausbesuche

Videosprechstunden, die erstmals im Frühjahr dieses Jahres etabliert wurden, erforderten zwar ein mühsames Einarbeiten in ein wenig patientenfreundliches Videosystem, ermöglichten aber eine direkte Beratung in häuslichen Situationen, z. B. bei den Mahlzeiten bei Kindern mit Fütterstörungen oder in familiären Konfliktsituationen. Durch den Einblick in Teile des familiären Alltags können Videotermine fast wie aufwendige Hausbesuche genutzt werden.

Auch unklare neurologische Symptome können ggf. per Videosprechstunde oder über Videoaufnahmen, die verschlüsselt verschickt werden, zeitnah beurteilt werden und so zu einer differentialdiagnostischen Klärung beitragen.

Angeleitete Elterngruppen (z. B. Stepping Stones Triple P) wurden per Videokonferenz weitergeführt. Die teilnehmenden Eltern waren sehr angetan über den Wegfall von Wegezeiten und die Möglichkeit, ihre Kinder relativ problemlos zu Hause zu betreuen und dennoch von einer Elterngruppe zu profitieren. Die nächste Elterngruppe wird primär als Videokonferenz geplant. Eine in Vorbereitung befindliche Gruppe zur Anleitung von Eltern mit Kindern, die aufgrund von Regulationsschwierigkeiten Probleme beim Stillen haben, wird von vornherein als Videogruppe konzipiert.

Seit Beginn des Jahres dürfen Berliner SPZ pandemiebedingt Leistungen auch ohne Überweisungsschein vom Kinderarzt abrechnen, wenn sich die behandelten Patienten bereits im SPZ in Behandlung befinden. Diese große administrative Erleichterung für die im SPZ betreuten Familien könnte genutzt werden, um bei Verhandlungen mit den Krankenkassen darauf hinzuwirken, dass künftig auch eine kinderärztliche Indikationsstellung im Jahr eine SPZ-Betreuung begründen kann und ausreichend ist.

"Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen"

Vielleicht lässt sich mit diesem Satz von Arthur Schopenhauer auch eine Pandemie leichter aushalten und bei allen vorhandenen Einschränkungen und Nachteilen auch einen Blick für Verbesserungen und Neuerungen eröffnen.



Korrespondenzadresse
Dr. Ute Mendes
SPZ Vivantes-Klinikum im Friedrichshain
Landsberger Allee 49
10249 Berlin

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2020; 91 (6) Seite 443-444