Die Zusatzweiterbildung "Spezielle Sozialpädiatrie" wurde mehrheitlich von den Landesärztekammern nicht zur Aufnahme in die Weiterbildungsordnung empfohlen. Warum? Und wie geht es jetzt weiter?

Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 hat mit großer Mehrheit die Gesamtnovelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) beschlossen. Die MWBO ist die Vorlage für die rechtlich verbindlichen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern (LÄK). Ziel der Gesamtnovelle ist eine kompetenzbasierte Weiterbildung zur Verbesserung der Weiterbildungsqualität [1]. Die Zusatzweiterbildung Spezielle Sozialpädiatrie wurde jedoch mehrheitlich von den LÄK nicht zur Aufnahme in die Weiterbildungsordnung empfohlen.

Wie konnte es dazu kommen?

Die DGSPJ hatte im Frühjahr 2017 die Zusatzweiterbildung Spezielle Sozialpädiatrie über die Weiterbildungskommission der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) beantragt und diese im Prozess der Beratungen mehrfach überarbeitet. Das Thema Zusatzweiterbildung hat das letzte halbe Jahr die Vorstandsarbeit zwar nicht ausschließlich bestimmt, aber dennoch zentral geprägt. Die Diskussionen um die Ausbildungsinhalte haben uns vorangebracht, Schwerpunkte und Inhalte zu definieren. Wir haben bei unseren Partnerverbänden um ein Verständnis der Sozialpädiatrie als zentrales Element der Kinder- und Jugendmedizin geworben, das als Klammer um alle Subdisziplinen zur Einheit des Faches beiträgt. Es sollte sich um eine 18-monatige Zusatzweiterbildung aus dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin heraus handeln.

Trotz umfassender Lobbyarbeit haben die 17 LÄK die Spezielle Sozialpädiatrie nicht als neue Zusatzweiterbildung empfohlen. Dies gilt auch für viele andere der neu beantragten Zusatzweiterbildungen. Aus dem Gebiet Kinder- und Jugendmedizin ist auch die Spezielle Pädiatrische Stoffwechselmedizin betroffen. Die wesentlichen Gründe liegen von Seiten der LÄK in erster Linie darin, dass der "Zersplitterung" der Medizin in zahllose Schwerpunkte und Zusatzweiterbildungen Einhalt geboten werden sollte. Im persönlichen Gespräch beklagten manche Mitglieder der Weiterbildungskommissionen, die ja in der Regel keine Kinder- und Jugendärzte sind, auch die Unwissenheit über die Sozialpädiatrie in Deutschland: "Wir konnten damit gar nichts anfangen".

Berufsbegleitende Zusatzweiterbildung?

Nun ergibt sich jedoch die Möglichkeit, eine berufsbegleitende Zusatzweiterbildung zu entwickeln. Die Option einer berufsbegleitenden Zusatzweiterbildung war von der Bundesärztekammer (BÄK) und einigen LÄK bereits im Rahmen der Beratungsgespräche angeregt worden, konnte in den entsprechenden Gremien aber nicht ausführlicher diskutiert werden. Dazu heißt es in einem Beschluss des Ärztetages: "Die neue (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) schafft durch den geänderten Paragrafenteil die Möglichkeit, die im Abschnitt C geregelten Zusatz-Weiterbildungen berufsbegleitend zu gestalten. Berufsbegleitende Weiterbildung ermöglicht eine durchgängige Erwerbsbiografie. Sie soll als Weiterbildung nach dem Facharzt die Möglichkeit zur Weiter- bzw. Nachqualifikation schaffen, ohne dass Ärztinnen und Ärzte ihre Erwerbsbiografie für zusätzliche Weiterbildungszeiten bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte unterbrechen müssen. Die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern werden daher aufgefordert, bei der weiteren Gestaltung des Abschnittes C Weiterbildungszeiten und -zahlen abzubauen und dadurch mehr Möglichkeiten einer kompetenzbasierten, berufsbegleitenden Weiterbildung zu schaffen."

Von besonderer Bedeutung für unser Anliegen ist auch ein weiterer Beschluss: "Zusatz-Weiterbildungen, die mit Verabschiedung der Novellierung noch keine Aufnahme in den Abschnitt C der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) gefunden haben, sollen inhaltlich weiter diskutiert und entwickelt sowie im Rahmen der Deutschen Ärztetage 2019 bzw. 2020 beschieden werden"[2]. Das heißt, die Tür ist offen und wir können weiter für die Unterstützung werben, die wir brauchen.

Debatte begann vor 15 Jahren

Der Vorstand der DGSPJ ist weiterhin überzeugt, dass die Möglichkeit einer (speziellen) Zusatzweiterbildung Sozialpädiatrie für die Weiterentwicklung unseres Faches überfällig ist – nach einer 15-jährigen Vorgeschichte! Bezüglich der Beantragung einer Zusatzbezeichnung Sozialpädiatrie waren bereits seit 2003 Beratungen in der BÄK zum Thema Sozialpädiatrie durchgeführt worden. Die BÄK hielt bereits damals die Einführung einer Zusatzqualifikation in Sozialpädiatrie unter versorgungstechnischen Gesichtspunkten für wünschenswert.

Ursprünglich sollte die Zusatzweiterbildung Sozialpädiatrie sowohl für Kinder- und Jugendärzte als auch für Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJPP) zugänglich sein, es konnte aber kein Konsens, insbesondere mit den Vertretern der KJPP, erzielt werden. Die ablehnenden Gründe der KJPP spielten in späteren Verhandlungen nach der Einführung der sozialpsychiatrischen Leistungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in 2013 keine wesentliche Rolle mehr, der Zugang zur Zusatzweiterbildung wird von der KJPP derzeit nicht mehr angestrebt.

2007 gab es Bedenken im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hinsichtlich möglicher Konsequenzen für die Abrechnung von sozialpädiatrischer Grundversorgung in der Praxis. Aus diesem Grund wurde beschlossen, den Antrag für die Einführung einer Zusatzweiterbildung Sozialpädiatrie in Spezielle Sozialpädiatrie umzuwandeln, nachdem auch für die niedergelassenen Ärzte eine Möglichkeit der Abrechnung für sozialpädiatrische Basisversorgung in der Praxis gesetzlich geregelt wurde.

Schwierige Konsensfindung

Im März 2013 übersandte der damalige Präsident der DGSPJ einen neuen Entwurf für eine Zusatzbezeichnung, jetzt Spezielle Sozialpädiatrie, über die entsprechenden Gremien an die BÄK. Der Prozess der Novellierung der MWBO wurde im weiteren Verlauf von der BÄK jedoch insgesamt gestoppt. Es erfolgte eine komplette Überarbeitung der Zusatzbezeichnung Spezielle Sozialpädiatrie im Rahmen des Novellierungsprozesses Anfang 2017, gefolgt von intensiven Beratungen innerhalb der Kinder- und Jugendmedizin und mit der BÄK im Mai 2017. Der Antrag wurde mehrheitlich von den Partnerverbänden unter dem Dach der DAKJ befürwortet und von der DAKJ-Weiterbildungskommission bei der BÄK im Sommer 2017 eingereicht. Trotz der formalen Zustimmung zur Beantragung der Zusatzweiterbildung durch den Vorstand der DAKJ, ergaben sich noch viele Fragen und Zweifel sowie auch öffentlich auf der Diskussionsplattform der BÄK geäußerte Bedenken in den pädiatrischen Fachgesellschaften. Auch hier müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten und werden weitere Gespräche führen.

Zielgruppe der neu zu beantragenden Zusatzweiterbildung Spezielle Sozialpädiatrie sind Kinder- und Jugendärzte, die ihre Gebietsweiterbildung und ggf. Schwerpunktweiterbildung abgeschlossen haben und die eine (meist ambulante) Tätigkeit in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ), der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche oder dem Öffentlichen Gesundheitsdienst anstreben. Derzeit sind in 156 SPZ mehr als 1.100 Ärzte leitend in multiprofessionellen Teams mit weiteren ca. 3.500 Mitarbeitern tätig. Es wurden 2014 mehr als 600.000 Behandlungsfälle und damit ca. 350.000 Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien behandelt. Damit arbeiten mehr als 15 % der ambulant tätigen Kinder- und Jugendärzte in einem SPZ.

Neue Chancen mit neuem Konzept

In der meist stationären Ausbildung für die Facharztanerkennung können keine ausreichenden Kenntnisse und Kompetenzen erworben werden, um selbstständig in einem SPZ oder einer ähnlichen Einrichtung zu arbeiten. Die Weiterbildung in den SPZ erfolgt derzeit unstrukturiert und erzeugt eine hohe Variation. Zukünftig sollen die Ärzte als Qualifikation für ihre Tätigkeit im Bereich der Sozialpädiatrie durch eine zielführende Weiterbildung vorbereitet werden, damit sie dort kompetent und selbstständig arbeiten können. Eine Förderung der ambulanten Weiterbildung sollte in der Zukunft eine besondere Rolle spielen, auch das wurde durch den Ärztetag nochmals hervorgehoben.

Da neben den Grundprinzipien einer kompetenzbasierten Weiterbildung und der Möglichkeit, diese berufsbegleitend zu absolvieren, auch die Weiterbildung in Verbünden verschiedener Weiterbildungsstätten gefördert werden sollen, bieten sich gerade für die Sozialpädiatrie gute Chancen, mit einem überarbeiteten Konzept im Rahmen der nächsten Ärztetage zu überzeugen.


Literatur
1. http://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/aerztetag-beschliesst-neue-weiterbildungsordnung-fuer-aerzte/
2. http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/121.DAET/121_Beschlussprotokoll.pdf

Für den Vorstand der DGSPJ

Prof. Dr. Ute Thyen, Präsidentin


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (4) Seite 279-280