Eine Forschergruppe aus den USA sowie aus dem Niger untersuchte die Resistenzsituation bei Kindern, die zweimal jährlich Azithromycin über 4 Jahre erhalten haben. Die Ergebnisse der Studie sind auf für Deutschland relevant.

Die massenhafte Anwendung (zweimal im Jahr bei Kleinkindern über einen Zeitraum von 4 Jahren) von Azithromycin hat in afri­kanischen Ländern der Subsahara zu einer deutlichen Reduktion der Kindersterblichkeit geführt. Allerdings gab es Befürchtungen bezüglich einer etwaigen Resistenzentwicklung. Ferner ist der Einfluss der antiinfektiven Therapie auf das Darmmikro­biom nicht geklärt.

Eine Forschergruppe aus den USA sowie aus dem Niger untersuchte die Resistenzsituation bei Kindern, die zweimal jährlich Azithromycin über 4 Jahre erhalten haben. In die MORDOR-Studie wurden 30 Dörfer eingeschlossen, die an der massenhaften Verabreichung von Azithromycin bzw. Placebo teilgenommen haben. Placebo und Verum wurden allen Kindern im Alter von 1 bis 59 Monaten alle 6 Monate für 4 Jahre angeboten. Zur Resistenzbestimmung einzelner Bakterien wurden Stuhlproben gewonnen – vor Beginn der Intervention, nach 36 Monaten bzw. nach 48 Monaten. Über einen 48-monatigen Zeitraum lag die Teilnahme in der Placebogruppe bei 86,6 %, in der Verumgruppe bei 83,2 %. Während des Studienzeitraums wurden 3.232 Stuhlproben gewonnen. 546 Proben stammten aus 15 Dörfern, die Placebo erhielten, 504 aus 14 Dörfern mit einer Azithromycin-Applikation. Die Untersuchungen ergaben, dass nach Gabe von Azithromycin etwa 7,4-fach höhere Makrolidresistenzraten (95-%-KI, 4,0 – 6,6) nach 36 Monaten und 7,5-fach höhere nach 48 Monaten (95-%-KI, 3,8  – 23,1) gefunden worden waren. Die Resistenzen betreffen nicht nur eine Makrolidresistenz, sondern auch Resistenzen gegen Beta-Lactam-Antibiotika, eine antiinfektive Klasse, die häufig in Afrika verschrieben wird.

Die Autoren schließen aus ihrer Studie, dass die massenhafte Anwendung von Azithromycin im Vergleich zu Placebo über 4 Jahre zu mehr Resistenzen führt und geben dieses zu bedenken.

Kommentar:
Die Ergebnisse sind nicht verwunderlich. Der massenhafte Einsatz von Antiinfektiva führt häufig zu einer Resistenzentwicklung. Diesen Resistenzentwicklungen sind die Überlebenschancen von Kindern gegenüberzustellen. Eine nicht einfache Entscheidung. Warum sollte man diese Studie auch in Deutschland zur Kenntnis nehmen? Die Studie belegt deutlich, dass der regelhafte und wiederholte Einsatz von Makroliden zu Resistenzen gegen Makrolide, aber auch gegen andere Antiinfektiva hervorruft. Ein Szenario, welches auch in Deutschland vorkommen kann.

Literatur
Doan T, Worden L et al. (2020) Macrolide and Nonmacrolide Resistance with Mass Azithromycin Distribution. N Engl J Med 383: 1941


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf, Worms


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (6) Seite 376