Mehr als die Hälfte der Patienten einer Notaufnahme fallen aufgrund der Symptome nicht unter die klinische Definition eines medizinischen Notfalls. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung aus Hamburg-Eppendorf.

Eine Querschnittstudie aus dem Bereich der Versorgungsforschung: Das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat vor dem Hintergrund der konstant gestiegenen Patientenzahlen in Notaufnahmen eine Analyse dieser Patientengruppe hinsichtlich der Soziodemographie, des Gesundheitszustandes und der Gründe für die Inanspruchnahme der Notaufnahme durchgeführt. In 5 norddeutschen Kliniken wurde während 2 Arbeitswochen das Aufkommen an Notfallpatienten untersucht. Die Patienten wurden darüber hinaus mit persönlichen Interviews befragt. Zusätzlich wurden ärztliche Diagnosen dokumentiert. Die Datenanalyse erfolgte mittels multivariater logistischer Regression in gemischten Mehrebenen-Modellen.

Insgesamt wurden 1.175 Patienten befragt, die im Durchschnitt 41,8 Jahre alt waren. 52,9 % der Patienten waren männlich und 54,7 % gaben selbst eine niedrige Behandlungsdringlichkeit an. 41,3 % kamen auf eigene Initiative in die Notaufnahme. 17 % gaben an, eine Einweisung, respektive Empfehlung, durch ihren Hausarzt bekommen zu haben. 8 % wurden von einem Facharzt eingewiesen. Stärkster Prädiktor für eine (subjektive) Behandlungsdringlichkeit waren Traumata und Bewegungsapparat (Odds Ratio 2,18), Affektionen der Haut (Odds Ratio 2,15) und die Nichtverfügbarkeit einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit (Odds Ratio 1,7).

Die Autoren schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass mehr als die Hälfte der Patienten aufgrund der Symptome nicht unter die klinische Definition eines medizinischen Notfalls fallen. Die Gründe, eine Notaufnahme aufzusuchen, sind vielfältig und können neben der Dringlichkeit des Gesundheitsproblems (welches subjektiv durchaus unterschiedlich wahrgenommen wird) auch in strukturellen Gegebenheiten und individuellen Patientenpräferenzen liegen.

Kommentar:
Die Untersuchung (von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein und dem Zentralinstitut der Kassenärztlichen Vereinigung in Deutschland unterstützt) analysiert ein Problem, welches "landauf, landab" sich in Notaufnahmen abspielt. Nahezu die Hälfte der Patienten unterliegt nicht einer dringlichen medizinischen Behandlungsnotwendigkeit. In der Pädiatrie dürfte dieser Anteil noch höher liegen. Notfallambulanzen sind in der Regel in Krankenhäusern angesiedelt. Oftmals wird das dort vorgehaltene Personal aus dem "stationären Mitarbeiterpool" bereitgestellt. Eine unangebrachte Inanspruchnahme ist daher – neben dem ungerechtfertigten Ressourcenverbrauch – "doppelt" bedauerlich. Fehlanreize für den unnötigen Besuch einer Notfallambulanz sollten beseitigt werden. Ferner muss durchaus über restriktive "Triagierungsmechanismen" im Vorfeld der "Notfallambulanz" nachgedacht werden.

Literatur
Scher M (2017) Patienten in Notfallaufnahmen. Dtsch Ärzteblatt Int 114: 645 – 52


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (6) Seite 362