Je früher Kinder zu Welt kommen, desto höher ist ihr Risiko für lebensgefährliche Komplikationen durch Infektionen. Forschende der LMU München haben nun einen Mechanismus aufgedeckt, der das Immunsystem von Frühgeborenen hemmt.

Frühgeborene Kinder sind besonders anfällig für bakterielle, virale oder Pilzinfektionen. Im Vergleich zu Reifgeborenen haben sie ein höheres Risiko, eine Sepsis zu entwickeln. Die neonatale Sepsis gehört zu den häufigsten Todesursachen von Neugeborenen. „Vor allem bei den ganz kleinen Frühchen kann eine bakterielle Infektion innerhalb von Stunden zum Tod führen“, sagt Professor Markus Sperandio. Der Physiologie , ehemalige Kinderarzt und Frühgeborenen-Mediziner erforscht mit seinem Team am Biomedizinischen Centrum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) die Ursachen dieser hohen Infektionsanfälligkeit. Die Forschenden konnten nun nachweisen, dass ein immunstimulierender Signalweg im sich entwickelnden Immunsystem gehemmt ist.

Mechanismus zur Immunabwehr noch nicht ausgereift

Das Immunsystem von Neugeborenen muss einerseits das Wachstum und die Entwicklung während der intrauterinen Entwicklung gewährleisten, andererseits auch mit den Herausforderungen und Bedrohungen fertig werden, denen Säuglinge nach der Geburt in der Außenwelt ausgesetzt sind. Hauptverantwortlich für die Wirtsabwehr im Immunsystem sind neutrophile Granulozyten. Diese werden nach einem Entzündungsreiz an den Ort der Entzündung rekrutiert. Sie heften sich an die Gefäßwand und induzieren die Auswanderung von Blut in das entzündende Gewebe. Im Gegensatz zur Situation bei Erwachsenen schaffen es fetale und neonatale Neutrophile im angeborenen Immunsystem nicht, sich ausreichend an die Wand der Blutgefäße zu heften und die Immunabwehr anzustoßen.

Welche Mechanismen hinter dieser Unreife stecken, haben die LMU-Forschenden in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Frauenklinik am LMU Klinikum untersucht. In einer sogenannten Transkriptomanalyse haben sie die Genaktivität der Neutrophilen im Nabelschnurblut von früh- und reifgeborenen Babys mit erwachsenen Neutrophilen verglichen. Im Vergleich zu Erwachsenen sind bei früh- und reifgeborenen Babys viele Gene aktiv, die der Immunabwehr entgegenwirken. „Diese Neutrophilen wirken dann wie abgeschaltet“, sagt Sperandio.

Balance immunregulierender Signalwege verschoben

Betroffen sind insbesondere Signale, die über den NF-κB-Signalweg vermittelt werden, der für Immun- und Entzündungsreaktionen eine entscheidende Rolle spielt. Er beinhaltet zwei mögliche Signalübertragungswege: einen entzündungsfördernden und einen, der Entzündungen entgegenwirkt. Bei der Regulation der Immunreaktion muss die Aktivität dieser beiden Wege daher fein austariert werden.

„Unsere Experimente haben gezeigt, dass in fetalen und neonatalen Neutrophilen diese Balance in Richtung des entzündungshemmenden Wegs verschoben ist“, sagt Sperandio. „Während diese Regulation der Neutrophilenfunktion offensichtlich eine Voraussetzung für normales fetales Wachstum im Uterus ist, führt sie bei Frühgeborenen, die sich ‚zu früh‘ an die Welt außerhalb des Uterus anpassen müssen, zu Problemen bei der Immunabwehr.“ Inwieweit diese neuen Erkenntnisse in Zukunft einen Ansatzpunkt für neue therapeutische Optionen bilden, bleibt abzuwarten. „Aufgrund der komplexen Abläufe im wachsenden fetalen und neonatalen Organismus ist eine Reifungs-adaptierte Therapie denkbar, jedoch vorerst noch Zukunftsmusik,“ so Sperandio.


Quelle
Ludwig-Maximilians-Universität München

Red.