Fünf Fragen an Univ.-Prof. Markus Knuf aus Wiesbaden zum Thema COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen.

Im Interview:


Univ.-Prof. Dr. Markus Knuf ist Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden und Chefredakteur der "Kinderärztlichen Praxis".

Redaktion Kinderärztliche Praxis: Bei Kindern findet man in der Regel eher milde COVID-19-Verläufe. Woran liegt das?

Univ.-Prof. Dr. Markus Knuf: Der Hintergrund ist noch nicht vollständig geklärt. Möglicherweise verfügen Kinder und Jugendliche über eine gewisse Grundimmunität gegen Corona-Viren (CV) durch vorhergehende respiratorische Infektionen durch CV. Auch ist denkbar, dass die Verarbeitung von SARS-CoV-2-Antigenen im Rahmen der angeborenen Immunität auf anderem Wege erfolgt als bei Erwachsenen. Daneben sind auch ganz einfache Gründe denkbar, wie kleinere Aerosolmengen durch einen nicht so kräftigen Hustenstoß oder aber einfach die fehlende Exposition, da vor allem Erwachsene erkrankt sind.

Dennoch gibt es auch bei Kindern komplizierte Verläufe und einzelne Todesfälle. Wie sind diese einzuordnen?

Knuf: Zu den komplizierten Verläufen bei Kindern gehört das so genannte „Paediatric Inflammatory Multisysteme Syndrome (PIMS)“. Dieses „Syndrom“ ist eine Kawasaki-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit kardialer Beteiligung, Bronchopneumonie, „Kawasaki-Zeichen“, Schock, Sepsis und gastrointestinaler Beteiligung und wahrscheinlich Folge einer Autoimmunreaktion auf das SARS-CoV-2-Virus. Eine ähnliche Ätiologie nimmt man auch beim Kawasaki-Syndrom an. Man darf vermuten, dass eine gewisse genetische Suszeptibilität für solche schwerwiegenden Verläufe prädisponiert. Daneben ist denkbar, dass Kinder mit schweren Beeinträchtigungen des Immunsystems oder Multisystemerkrankungen, wie bei anderen Viruserkrankungen auch, in besonderer Weise durch SARS-CoV-2 zu Schaden kommen können.

Beobachtet man bei Kindern bleibende Schäden nach einer durchgemachten COVID-19-Infektion?

Knuf: Diese Frage ist sicher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend zu beurteilen. Denkbar sind Residualsymptome durch PIMS bzw. infolge einer schwer verlaufenden COVID-19-Infektion. Registerdaten werden hier in Zukunft Klarheit bringen.

Im Herbst und Winter treten gehäuft Atemwegsinfektionen auf. Wie kann der Kinderarzt sicher unterscheiden zwischen COVID-19, Influenza und einer Erkältung?

Knuf: Eine sichere klinische Unterscheidung ist nicht möglich. Die Symptome ähneln sich doch sehr. Im Zweifelsfall hilft dann ein Test (RSV-, Influenza-, SARS-CoV-2-PCR-Testung) weiter. Hilfreich könnte die Klärung einer Exposition oder die Beachtung der aktuellen Inzidenz sein.

Wie ist das Übertragungsrisiko bei Kindern untereinander und wie gegenüber Erwachsenen einzuschätzen? Und wie sind vor diesem Hintergrund Überlegungen zu eventuell erneuten Schließungen von Kitas und Schulen zur beurteilen?

Knuf: Säuglinge, Kleinkinder und Kinder spielen anders als bei der Influenza für das Übertragungsgeschehen von SARS-CoV-2 eine deutlich untergeordnete Rolle. Eine Reihe von Studien haben gezeigt, dass Erwachsene Kinder anstecken und nicht umgekehrt. Vor diesem Hintergrund ist die bedingungslose Schließung von Kitas und Schulen kritisch zu sehen. Die jüngst getroffenen Maßnahmen Ende Oktober 2020 nehmen auf diesen Tatbestand hier auch Rücksicht.



Die Fragen hat Angelika Leidner gestellt.