Vor dem Hintergrund der aktuellen Kontroverse um eine weitgehende Cannabis-Freigabe haben diese Forschungsergebnisse große Relevanz: Cannabis-Konsum vor dem 18. Lebensjahr hat gravierende negative Auswirkungen auf die Psyche.

Zum Beispiel auch auf das Auftreten einer Schizophrenie. Bei vielen psychiatrischen Erkrankungen, so auch bei der Schizophrenie, spielen zwar Erbfaktoren eine große Rolle. Im Frühjahr 2022 hat eine große Studiengruppe, die Schizophrenia Working Group of the Psychiatric Genomics Consortium, eine Studie publiziert, wonach 287 Genorte im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Schizophrenie stehen könnten. Trotzdem verfolgte Prof. Hannelore Ehrenreich von der beteiligten Uni Göttingen einen Forschungsansatz, bei dem genetische und umweltbedingte Daten von Patienten kombiniert untersucht werden.

Umweltfaktoren als Risikofaktor für mentale Erkrankungen

Zu den Umweltfaktoren, die bei diesen Forschungen von besonderem Interesse sind, gehören:

  • der Wohnort (städtische oder ländliche Wohnumgebung)
  • Migrationshintergrund
  • perinatale Komplikationen
  • frühzeitiger Cannabis- und Alkoholkonsum sowie
  • Kindheitstraumata wie sexueller oder psychischer Missbrauch.

Dabei fanden die Wissenschaftler in einer Studie mit 750 männlichen Patienten heraus, dass diese Umweltrisiken bereits in einem jüngeren Alter deutlich frühzeitiger den Beginn einer Schizophrenie begünstigen können. Junge Menschen, die von 4 oder allen 5 Faktoren betroffen waren, erkrankten fast 10 Jahre früher als alle anderen Personen. Vor allem ein früher Cannabisgebrauch hatte signifikante Auswirkungen auf einen vorzeitigen Krankheitsbeginn. Bereits ein einziger und auch nur einmaliger Cannabiskonsum wirkte sich in diesem vulnerablen Alter negativ aus. Eine 2019 publizierte Studie der Arbeitsgruppe konnte belegen, dass die Akkumulation von Umweltrisiken auch zu mehr gewalttätigen Aggressionen und Kriminalität führen kann. Im Vergleich dazu konnten bei der Auswertung der genetischen Faktoren lediglich deutlich geringere Effekte nachgewiesen werden.

Bereits im Jahr 1999 hatte Ehrenreich mit ihrer Göttinger Studiengruppe eine Untersuchung mit gesunden Studierenden veröffentlich, bei denen ein Cannabisgebrauch in der frühen Adoleszenz (zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr) zu dauerhaften Effekten auf komplexe und spezifische Aufmerksamkeitsfunktionen im Erwachsenenalter geführt hatte.
Nach Darstellung von Hannelore Ehrenreich müssten diese Erkenntnisse deutlich stärker sowohl in Präventionsmaßnahmen wie auch bei politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden, als dies derzeit der Fall ist.



Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (6) Seite 381