Das Forum ist ein heute weithin anerkannter interdisziplinärer Marktplatz nicht nur für Kinder- und Jugendärzte. Die diesjährige Veranstaltung mit dem Schwerpunktthema Kinderschutz war nicht nur für Sozialpädiater ein voller Erfolg.
Vom 07. – 08. März 2019 wurde vom SPZ der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Bochum das 8. Forum Sozialpädiatrie ausgestaltet. Und wieder einmal war die Veranstaltung mit dem Schwerpunktthema Kinderschutz längst nicht nur für Sozialpädiater ein voller Erfolg.
Die organisatorische Leitung lag bei dem Klinikdirektor, Prof. Dr. Thomas Lücke, seiner Mitarbeiterin Sylvia Meier und ihrem Team, die nicht nur mit einer exzellenten Organisation glänzten, sondern auch beste Rahmenbedingungen boten, die es ermöglichten, die inhaltlichen Schwerpunkte und die Interessen der Teilnehmer zusammenzuführen.
Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem "Forum Sozialpädiatrie"? Der Begriff "Forum" – aus dem Lateinischen stammend – heißt "Markplatz", also Zentrum des urbanen Lebens.
Und was hat das mit dem Forum Sozialpädiatrie zu tun?
Zusammengeführt, was zusammengehört
Hier lohnt sich ein historischer Rückblick. Seit Anfang der 90er-Jahre, also der Entstehungszeit der Sozialpädiatrischen Zentren, war es notwendig geworden, dass sich die Leiter der neu entstandenen Zentren untereinander austauschten und für diesen Zweck eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialpädiatrischen Zentren (BAG-SPZ) gründeten. Die Leiter trafen sich anfänglich einmal, später zweimal jährlich zu einer Vollversammlung. Aus dieser BAG-SPZ heraus entwickelte sich eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen in SPZs (BAG-Psych), die eine ihrer wichtigen Aufgaben darin sahen, die Fort- und Weiterbildung der Psychologinnen und Psychologen in SPZs spezifischer zu organisieren. Dies war der Ursprung des "Psychologentages", der dann im Frühjahr eines jeden Jahres einen festen Platz im Fortbildungskalender fand.
Des Weiteren trafen sich in den 90er-Jahren wissenschaftlich orientierte Sozialpädiater zu einem Forschungstag, der zum Ziel hatte, Forschungsprojekte zu vernetzen. Aus der BAG-SPZ heraus entstand ebenfalls zu dieser Zeit der Zentrale Qualitätsarbeitskreis (ZQAK), ein Gremium, das im Auftrag der BAG-SPZ Arbeitsgemeinschaften und Qualitätszirkel zur Bearbeitung spezifischer Themen einsetzte, mit dem Ziel, verbindliche Qualitätspapiere zu erstellen. Auch diese Arbeitsgemeinschaften trafen sich in unterschiedlicher Frequenz deutschlandweit verstreut, um ihre Arbeitsaufgabe zu erfüllen.
Man sieht, es fanden viele Aktivitäten zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten statt, wobei sich auch mehrfach die gleichen Akteure in unterschiedlichen Gremien begegneten. Somit lag es nahe, Wege zu verkürzen, terminliche Nähe zu schaffen und den inhaltlichen Austausch zu befruchten. Dies fing damit an, dass der Forschungstag sich mit dem Psychologentag zusammentat. Folgerichtig schloss sich auch die Vollversammlung der SPZ-Leiter diesem Treffen an und zum Schluss konnten sich auch parallel die Arbeitsgemeinschaften des ZQAK hier andocken. Es entstand somit im wahrsten Sinne des Wortes ein Marktplatz, bei dem man die hohe Sicherheit hatte, dass sich die Akteure begegnen konnten und begegnen mussten. Entsprechend dem organisatorischen Aufwand lag es nahe, dieses Konstrukt "Forum Sozialpädiatrie" zu nennen. Und diese "Marke" hat sich nun dieses Jahr in Bochum zum 8. Mal bewährt.
Wo liegen die Stolpersteine beim Kinderschutz?
Begonnen hat das diesjährige Forum mit der Vollversammlung der BAG-SPZ, wo u. a. die Präsidentin der DGSPJ, Prof. Ute Thyen anhand eines Organigramms die breite Aufstellung der DGSPJ deutlich machte. Dies war u. a. auch deswegen wichtig, da nun seit dem 25-jährigen Bestehen der BAG-SPZ diese bereits in die 3. Generation gegangen ist. Weiterhin wurden die SPZ-Leiter über die Arbeit des ZQAK informiert, und die AG-Leiter berichteten über deren Arbeit. Stellvertretend seien hier nur die Aktivitäten zur Implementierung der ICF-CY in den sozialpädiatrischen Alltag genannt. Auch berufspolitische Aspekte nahmen einen entsprechenden Raum ein, insbesondere Aktivitäten zur finanzpolitischen Umsetzung des § 43a SGB V.
Am Nachmittag öffnete sich die Vollversammlung der SPZ-Leiter für alle Teilnehmer des Forums, insbesondere auch für die Psychologinnen und Psychologen, sodass nun inhaltliche Vorträge im Mittelpunkt standen.
Der Vortrag "Risiken und Stolpersteine im Kinderschutz", vorgetragen von Dipl. Soz.Päd. Christine Gerber vom Deutschen Jugendinstitut in München, machte deutlich, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann. Sie stellte eine wissenschaftliche Analyse von Fehlern vor, die im Rahmen der professionellen Betreuung beim Kinderschutz vorgekommen sind, um entsprechende Lehren daraus zu ziehen. Das Thema Kinderschutz zog sich auch durch die Vorträge des gesamten Forums. So wurden von Dipl.-Psych. Monika Bormann die "Schlüsselqualifikationen multiprofessionellen Handelns im Kinderschutz" ausführlich dargestellt ,und sie zeigte auf, wie wichtig die Vernetzung der verschiedenen Akteure im Kinderschutz ist und wie fragil dieses System sein kann, insbesondere bei personeller Fluktuation. Passend dazu wurde von Dipl.-Psych. Ute Graf vom SPZ Remscheid über das Thema "Entwicklungstraumata bei Kindern" referiert, wobei es für alle Beteiligte gilt, für die betroffenen Kinder äußere Sicherheit und Stabilität zu garantieren. Dass das Bundesteilhabegesetz einen Paradigmenwechsel im Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung darstellt und somit auch viele neue Wege, aber auch Risiken aufzeigt, stellte Daniel Schuster, Leiter der Stabsabteilung Behindertenhilfe des ev. Johanneswerks in Bielefeld, in seinem Vortrag sehr konkret dar. Dass man mit einem pädagogischen Angebot zum Thema Kinderschutz direkt an die Kinder in den Kindergärten und Schulen herantreten kann, demonstrierten Mitglieder der Theaterpädagogischen Werkstatt gGmbH aus Bochum in eindrucksvoller Art.
Gendervarianz im Kindes- und Jugendalter
Das Programm am Freitag, dem 08. März, stand unter der Schirmherrschaft des interdisziplinären Psychologentages, das die Bundesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen in SPZs gemeinsam mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum der Universitätskinderklinik Bochum gestaltet hat. Dieser begann traditionell mit Impulsreferaten, um dann in Parallelworkshops Einzelthemen zu vertiefen. Der erste Impulsvortrag befasste sich mit der Geschlechtsdysphorie und Gendervarianz im Kindes- und Jugendalter. Hier konnte Dr. med. Julia Schweitzer von der Spezialambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ihre Erfahrung im Umgang mit den Patienten schildern. Dass diese Problematik auch den Praxisalltag erreicht hat, zeigt die steigende Inanspruchnahme dieser und anderer Spezialambulanzen in Deutschland.
Bindungs- und Beziehungsorientierte Interventionen in hochkomplexen Familiensystemen wurden sehr praxisnah dargestellt von Michael Schieche, Dipl.-Psychologe und psych. Psychotherapeut am Kinderzentrum München. Dieser Vortrag vermittelte insbesondere aus systemischer Sicht Ansätze und Lösungswege in der Betreuung schwieriger Familiensysteme.
Dr. Andreas Oberle, Leiter des SPZs am Olgahospital Stuttgart und Vizepräsident der DGSPJ, näherte sich in einem sehr kurzweiligen Vortrag der Problematik der Früherkennungszeichen einer ADHS bereits im Kleinkindesalter und informierte u. a. darüber, dass im Rahmen eines Forschungsprojektes jetzt Frühindikatoren für eine ADHS-Entwicklung ermittelt werden sollten, um rechtzeitig entsprechende Interventionen möglich zu machen.
Der Nachmittag war dann geprägt von den 10 Parallel-Workshops in Gruppen von bis zu 20 Teilnehmern und einer Dauer von je 75 Minuten, sodass man die Möglichkeit hatte, 2 Workshops zu besuchen.
Forum 2020 findet in Schwerin statt
Und wenn wir auf das Bild vom Marktplatz der Sozialpädiatrie zurückkommen wollen, so sind es nicht nur die Vorträge, sondern auch die Möglichkeiten zum individuellen Austausch, zum Kennenlernen und zu mannigfaltigen Gesprächen gewesen, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.
Festzuhalten ist, dass das Forum sich innerhalb der letzten Jahre immer mehr zur Interdisziplinarität entwickelt hat, viele Möglichkeiten auch für andere Fachgruppen offen hält, aber auch bezüglich der Größe eine entsprechende organisatorische Herausforderung darstellt. In Spitzenzeiten waren bis zu 250 Teilnehmer im Hörsaalzentrum zugegen.
Wir werden sehen, was uns die weitere Zukunft bringt. Eines steht jedenfalls schon fest: Das nächste Forum Sozialpädiatrie findet vom 18. – 20. März 2020 in Schwerin statt und wird von der Kinderzentrum Mecklenburg gGmbH organisiert werden.
Aber jetzt noch einmal recht herzlichen Dank an das Organisationsteam in Bochum sowie die Akteure der BAG-SPZ, der BAG-Psychologinnen und Psychologen in SPZs und des ZQAKs.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (3) Seite 206