Nach den Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Umfrage fehlen bundesweit rund 50.000 Lehrkräfte. Darunter leiden insbesondere chronisch erkrankte und behinderte Kinder.

Für die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) ein Grund mehr, die Etablierung von Schulgesundheitsfachkräften einzufordern. Nur mit Hilfe multiprofessioneller Teams - beispielsweise aus Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern oder Schulgesundheitsfachkräften - könnten Lehrerinnen und Lehrer all den Herausforderungen eines modernen Schulalltags heute noch gerecht werden. Anders sei die Aufrechterhaltung der Gesundheit und die Gesundheitsprävention nicht mehr leistbar, stellt Gerhard Brand, Vorsitzender des VBE, klar.

Während Schulsozialarbeiter bereits heute an vielen Schulen arbeiteten, seien Schulgesundheitsfachkräfte jedoch immer noch eine Ausnahme. Dabei wäre der Bedarf an medizinisch geschultem Personal hoch, und dies nicht nur primär für kleinere alltägliche Zwischenfälle wie aufgeschürfte Knie oder plötzlich auftretende Bauchschmerzen. Wesentlich wichtiger wäre die Verfügbarkeit einer medizinisch ausgebildeten Ansprechperson für Kinder mit chronischen Erkrankungen wie einem Typ-1-Diabetes oder einer Behinderung. „Gerade für diese Kinder und ihre Familien stellt durch die zunehmende Ganztagsbeschulung der Schulbesuch eine große Hürde dar“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG und kommissarischer ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Denn die Lehrer seien für solche Aufgaben weder zuständig noch ausgebildet. Die Teilnahme am regulären Schulbetrieb bliebe chronisch kranken Kindern daher oft verwehrt. Oftmals seien es dann die Eltern, insbesondere die Mütter, die ihre Rolle als „Gesundheitsmanager“ ihrer Kinder auch in der Schule übernehmen und dafür mitunter sogar die eigene Berufstätigkeit einschränken müssen. Oder es sind dann nach Erfahrungen Brands die Lehrkräfte, die die medizinische Betreuung im Zweifelsfall übernehmen: „Dies tun sie, obwohl sie hierfür juristisch nicht abgesichert sind.“

Auch wenn durchschnittlich nur eines von 500 Kindern an einem Typ-1-Diabetes erkrankt ist – der Bedarf an gesundheitsbezogener fachlicher Unterstützung ist insgesamt wesentlich höher. Im Rahmen eines Modellprojekts in Brandenburg wurde ermittelt, dass rund jedes 4. Kind einen medizinischen oder therapeutischen Unterstützungsbedarf hat. Hinzu kommen die Folgen der vielfältigen sozial-emotionalen Belastungen, unter denen viele Kinder seit den pandemiebedingten Schul- und Kitaschließungen zu leiden haben. „Zumindest an Grundschulen sollte es daher zum professionellen Schulgesundheitsmanagement gehören, eine Gesundheitsfachkraft im Team zu haben“, sagt Brand. Auch und gerade im Hinblick auf eine zunehmende Ganztagsbetreuung sei deren Expertise unverzichtbar, so dass Schulgesundheitsfachkräfte flächendeckend finanziert und etabliert werden sollten. Auch dies wäre ein ermutigendes Signal der viel beschworenen Zeitenwende.

Raimund Schmid