Rund 810.700 Kinder sind bundesweit zum Schuljahr 2022/23 eingeschult worden. Für das anstehende Schuljahr 2023/24 wird die Anzahl an Erstklässlern weiter zunehmen. Dürfen diese nun – nach der großen Pandemie-Pause – alle wieder auf eine Einschulungsuntersuchung (ESU) hoffen?

Nicht unbedingt. Denn das hängt im Wesentlichen von Personalausstattung und Prioritäten des jeweiligen Gesundheitsamts ab. Und vielerorts sind die Kapazitäten begrenzt.

Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, sieht die ESU jedoch als „eine immens wichtige Aufgabe im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) an, da sie umfassender ist als eine ärztliche Untersuchung“. Zu ihr gehört ein Entwicklungsscreening, bezogen auf die Voraussetzungen für schulisches Lernen. Und eine fehlende ESU kann gravierende Konsequenzen für das Kind haben, so der ÖGD-Fachausschuss der DGSPJ. Während der Pandemie wurden die schulärztlichen Teams in hohem Maße für Infektionsschutzaufgaben eingesetzt. So wurde z. B. in Baden- Württemberg fast die Hälfte der Erstklässler im Schuljahr 2020/21 ohne eine schulärztliche Untersuchung eingeschult. Im Ländle wird für das Schuljahr 2023/2024 wieder eine annähernde Vollerhebung angestrebt. Aus einigen anderen Bundesländern ist zu hören, dass die personelle Situation im Kinder- und Jugendärztlichen Dienst derart angespannt ist, dass die ESU dort oft verspätet oder nicht vollständig stattfinden könne.

Kommentar:
Welch ein Dilemma! Erst Corona und nun das: Aufgrund des personellen Mangels in vielen Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten (KJGD) der Gesundheitsämter werden also auch künftig nicht alle Kinder auf eine Einschulungsuntersuchung (ESU) hoffen dürfen. Die weithin fehlenden Fachkräfte können halt nicht von heute auf morgen hervorgezaubert werden. Da ist Einfallsreichtum gefragt. Wie etwa im Landkreis Bautzen, in dem drei Mediziner im Ruhestand reaktiviert werden konnten. Oder in Köln, wo Mädchen und Jungen mit besonderen Förderbedarfen bei der ESU priorisiert wurden. Das alles sind jedoch nur Notlösungen in der Not. Denn alle Kinder sollten hierzulande von der ESU profitieren – und von den weiteren Leistungen, die durch kommunale KJGDs erbracht werden. Bleibt nur zu hoffen, dass den KJGDs der finanziell gut bestückte Pakt für den ÖGD zugutekommt.


Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (3) Seite 160