Dies war erste Präsenz-Klausurtagung nach zwei Jahren. Es ging um politische Themen, um die Zusatzweiterbildung Spezielle Sozialpädiatrie, Qualitätsstandards in SPZ, Heil- und Hilfsmittelversorgung und vieles mehr. Ein Tagungsbericht.

Es war ein ausgesprochen ambitioniertes Programm, das sich die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) bei ihrer ersten Präsenz-Klausurtagung seit 2 Jahren in Erfurt selbst verordnet hatte: Sämtliche Inhalte, die aktuell für die Sozialpädiatrie von Bedeutung sind, standen auf der Agenda. Und natürlich nahmen auch die aktuellen politischen Entwicklungen – nicht nur im Hinblick auf die neue Bundesregierung – breiten Raum ein.

Der Rahmen hierzu im altehrwürdigen Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt passte ideal. Wo einst in zurückliegenden Jahrhunderten Mönche gebetet, Luther gelehrt und Waisenkinder gelebt hatten, schauten nun die Protagonisten der deutschen Sozialpädiatrie – unter strengen Hygienebedingungen – eher in die Zukunft und damit nach vorne. Und das unter digitalem Einbezug von nicht anwesenden Vorstandsmitgliedern, Gastrednern und Kooperationspartnern.

So waren zum Beispiel auch die Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ, Prof. Jörg Dötsch war persönlich anwesend) und des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ, Dr. Thomas Fischbach, online) sowie das Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege (BeKD e. V., Birgit Pätzman-Sietas, online) mit dabei. Sie erläuterten in ihren Berichten nicht nur die individuellen Schwerpunkte ihrer Fachgesellschaften, sondern auch die wichtigen gemeinsamen Interessen mit der DGSPJ, die sich aktuell in der Arbeit im Bündnis für Kinder- und Jugendgesundheit als Nachfolgeorganisation der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) im besonderen Maße zeigen. Die DGSPJ besetzt dort für die nächsten 3 Jahre die Position des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und wird damit zu einem zentralen und nachhaltigen Partner des neuen Bündnisses, das sich nun möglichst rasch inhaltlich neu aufstellen wird.

Neue Bündnisse möchte die DGSPJ auch mit den Verantwortlichen der Ampelkoalition und den anderen demokratischen Parteien eingehen, um für wichtige Inhalte, die die von den Sozialpädiatern betreuten Kinder und Jugendliche betreffen, auch politische Mehrheiten zu erreichen. Die DGSPJ hat sich hier bereits sehr früh auf den Weg gemacht und den konstruktiven Austausch gesucht. Dabei erfährt die Gesellschaft aktuell eine positive Offenheit von Seiten der Politik – gerade auch für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und Teilhabeeinschränkungen. Mit der expliziten Erwähnung der Kinder- und Jugendgesundheit und des Stellenwerts der Sozialpädiatrischen Zentren im Koalitionsvertrag sieht die DGSPJ durchaus Potenzial.

Dies wird auch von Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bekräftigt. Pünktlich zu Beginn der Klausurtagung sicherte sie der DGSPJ­ zu, „ihre Stellungnahme bei einem allfälligen Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich in die Überlegungen“ einzubeziehen.

Sozialpädiatrische Beratungsthemen

Bei den engeren die Sozialpädiatrie betreffenden Themen ergab sich in Erfurt folgender Erkenntnisstand:
  • Die Zusatzweiterbildung Spezielle Sozialpädiatrie wurde aktuell von der Bundesärztekammer (noch) nicht zur Beratung auf dem diesjährigen Ärztetag empfohlen. Da weiter die gesamte Pädiatrie hinter dieser fächerübergreifenden strukturierten und berufsbegleitenden Weiterbildung im Sinne der sozialpädiatrisch zu betreuenden Kinder und Jugendlichen steht, soll die Darstellung für einen nachfolgenden Ärztetag noch präziser und schärfer formuliert werden. Zudem soll der inhaltliche Austausch mit den Entscheidern insbesondere in den Landesärztekammern intensiviert werden. Dafür wurde in Erfurt eine Agenda erstellt.
  • Die DGSPJ arbeitet kontinuierlich daran, den Qualitätsstandard in den SPZ unter Einbezug aller fachlichen und personellen Ressourcen eines multiprofessionellen Teams auf einem hohen Niveau zu erhalten. Das zentrale Gremium hierfür ist der Zentrale Qualitätsarbeitskreis, der unter Leitung von Prof. Peter Borusiak die Themen strukturiert und inhaltlich auslotet, wie z. B. eine künftige Zertifizierung aussehen könnte, die sehr hohe fachliche Qualität sichert, zugleich aber auch das einzelne SPZ nicht überfordert. Genauso wichtig für ein SPZ ist jedoch auch die nachhaltige Konsolidierung der ökonomischen Basis gerade auch unter Berücksichtigung der nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen, zu denen Dr. Carsten Wurst aus Suhl den Stand der Dinge erläuterte.
  • Die bedarfsgerechte Heil- und Hilfsmittelversorgung in SPZ ist und bleibt weiter ein wichtiger Schwerpunkt. Zudem sind DGSPJ und die Frühförderung (VIFF) auf einem gemeinsamen Weg zur Umsetzung der ICF-CY insbesondere durch Fort- und Weiterbildungen. Der Fachausschuss Transkulturelle Pädiatrie (Koordination PD. Dr. Thorsten Langer) plant weitere Informationen und eine Sensibilisierung für diesen Bereich insbesondere zur besseren Finanzierung von Sprachmittlern.
  • In einer AG Digital (Koordination: Dr. Jens Teichler) erfolgen gerade zukunftsweisende Überlegungen für zukünftige Kommunikationsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der digitalen Möglichkeiten auch des „Social Internet“. Die zentralen Punkte sind „Information, Kommunikation, Dokumentation.“

Nächste Kongresse angekündigt

Weitere DGSPJ-relevante Themen, die in Erfurt zur Sprache kamen: frühe Betreuung, Kinderschutz sowie der kinder- und jugendärztliche Dienst im ÖGD und ein im Koalitionsvertrag angekündigtes Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit. Das Engagement der DGSPJ für die Absicherung von Gesundheitsfachkräften in Kitas und Schulen ist ungebrochen.

Die 25-jährige äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Kirchheim-Verlag als Heimat der Kinderärztlichen Praxis und der DGSPJ, von der alle 10.800 Leser der Kipra sechsmal im Jahr profitieren, kam ebenfalls nicht zu kurz.

Und schließlich am Ende die Ankündigungen der nächsten großen DGSPJ-Kongresse durch die teilnehmenden Kongresspräsidenten: im September 2022 in Düsseldorf (Federführung Prof. Peter Borusiak, Bonn), 2023 in Hamburg (Federführung Frau Prof. Astrid Bertsche, Rostock) sowie der gemeinsam ausgerichtete europäische EACD- und internationale IAACD-Kongress 2025 in Heidelberg (Federführung Prof. Rainer Blank, Maulbronn).



Autoren
Andreas Oberle und Raimund Schmid

Korrespondenzadresse
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V.
Chausseestraße 128/129
10115 Berlin
Tel.: 0 30/40 00 58 86
Fax: 0 30/4000 58 87

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (2) Seite 136-137