Tanja Sappok, Reiner Burtscher, Anja Grimmer (Hrsg.) Einfach sprechen über Gesundheit und Krankheit – Medizinische Aufklärungsbögen in Leichter Sprache. 1. Auflage, 2021, 288 S., Hogrefe Verlag. ISBN: 9783456859989; 44,95 Euro

"Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung werden häufiger krank als die Allgemeinbevölkerung." Gleichzeitig fällt es dieser Personengruppe oft schwer, die Notwendigkeit von Untersuchungen und dafür vorhandene Aufklärungsmaterialien zu verstehen. Dieses Unverständnis löst Ängste und Misstrauen aus, erschwert die Behandlung und beansprucht Zeit und Nerven bei Patientinnen und Patienten sowie Behandlerinnen und Behandlern. Wenn Patientinnen und Patienten entsprechend ihrem Entwicklungsstand aufgeklärt werden, reduzieren sich Angst und Stressniveau bei allen Beteiligten.

Zentrales Anliegen des Buches ist die dem Entwicklungsstand angemessene medizinische Aufklärung und Information von Menschen mit intellektuellen Behinderungen. Mit der Verwendung von Leichter Sprache werden komplexe und komplizierte Vorgänge einleuchtend und nachvollziehbar erklärt. Die Umsetzung gelingt der praxiserfahrenen Autorinnen- und Autorengruppe überzeugend, weil der Inhalt in Zusammenarbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten auf gute Verständlichkeit hin geprüft wurde.

Beide Gruppen – Behandlerinnen/ Behandler und Patientinnen/Patienten – erhalten mit dem Buch eine optimale Schnittmenge für das gemeinsame Verstehen gegenseitiger Anliegen und dem Anspruch nach bester Behandlung. Die Patientinnen und Patienten werden gründlich Schritt für Schritt über verschiedenste Erkrankungen und Behandlungsmethoden aufgeklärt.

Zunächst werden "häufig beobachtete Schwierigkeiten und Grenzen in der Behandlung von Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung" benannt und praktische Tipps und Hinweise zur Überwindung von problematischen Situationen aufgezeigt. Kernstück des Buches sind fast 100 farbige medizinische Aufklärungsbögen in leicht verständlicher Sprache. Trefflich werden "Der Arzt-Besuch und das Kranken-Haus" vorbereitet, werden körperliche und psychologische Untersuchungen erklärt. Eingehend und umfassend wird über Krankheiten, Störungen, Therapien und Medikamente informiert und auf gesundheitsfördernde Maßnahmen hingewiesen.

Das Blättern im Buch weckt die Neugierde und macht Spaß beim Hineinlesen in lösungsorientiert verfasste Aufklärungsbögen für nahezu alle medizinischen Fachrichtungen und die Gesundheitsförderung. Diese ergänzen sich bestens mit existierenden Patienteninformationen der KBV in Leichter Sprache.

Der letzte Teil des Pionierwerks beinhaltet ein "Ich-Buch", in dem eingetragen und mitgeteilt werden kann, was Behandlerinnen und Behandler über eine Person wissen sollten, um die Behandlung zu erleichtern. Diesen Teil gibt es als pfiffiges Extra zum Download, um ihn vorbereitend ausfüllen und mitnehmen zu können.

Das Buch schließt eine häufig klaffende Kommunikationslücke. Mit kreativem Ansatz füllt es die oftmals vorzufindende Sprachbarriere zwischen Patientin bzw. Patient und Behandlerin bzw. Behandler. Es benennt Standards in Bezug auf eine gelingende Umsetzung der UN-Behindertenkonvention für "ein Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit" und die aktive Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in den Behandlungsprozess. Der Einsatz des Handbuchs ermöglicht die komplexe, spezialisierte und fachkompetente Diagnostik und Therapie von Menschen mit intellektuellen Einschränkungen, weil es den Dialog zwischen Arzt und Patient unterstützt.

Ein sehr umfassendes und gelungenes Grundlagenwerk. Bestens geeignet zur Vorbereitung von Arztbesuchen und Erklärung von Untersuchungsabläufen. Die vorgestellten Facharztgruppen könnten komplettiert werden mit Kieferorthopäden oder Orthopäden, die auch häufig von der Personengruppe aufgesucht werden.

Die Anwendung des Buches erleichtert die Vor- und Nachbereitung sowie Durchführung von ärztlichen Besuchen. Sein frühzeitiger Einsatz fördert mit eingängigen Piktogrammen die Kommunikation über abstrakte medizinische Vorgänge und unterstützt hervorragend Betreute und Betreuende bei der Durchführung von Arzt-, Psychotherapeuten- und Krankenhausterminen.

Eine brillante Bereicherung für medizinisches, therapeutisches und pädagogisches Personal in der täglichen Arbeit. Eine gelungene und wertvolle Handreichung für den Dialog mit Angehörigen und Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Dieses Buch sollte für die Wahrung von Patientenrechten in jeder Einrichtung für Menschen mit Einschränkungen, jedem Sozialpädiatrischen Zentrum oder Medizinischen Behandlungszentrum für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen vorhanden sein. Besser noch: Es liegt in jeder Praxis, um inklusivem Behandlungsbedarf gerecht werden zu können.

Harald Bussenius, Braunschweig


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (3) Seite 237