Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor für den Verlauf schwerer COVID-19-Infektionen ist die Inflammationsreaktion. Führt dann die Blockade der Inflammationsreaktion zu guten Behandlungsergebnissen? Dieser Frage wurde in zwei Untersuchungen nachgegangen.

Insbesondere bei Erwachsenen finden sich häufig schwer verlaufende Pneumonien oder gar ARDS-Fälle im Rahmen einer COVID-19-Infektion. Die Erkrankung verläuft schnell mit einer exzessiven Inflammationsreaktion. So liegt es nahe, dass die Blockade einer Inflammations­reaktion möglicherweise ein Schlüssel zur optimalen Behandlung von schwer verlaufenden COVID-19-Infektionen darstellen könnte.

In der REMAP-CAP-Studie wurden Erwachsene 24 Stunden nach Aufnahme einer Intensiv­behandlung randomisiert und entweder einer Tocilizumab- (8 mg/kg/KG), Sarilumab- (400 mg) oder einer Standardbehandlung zugeführt. Als primäre Studienendpunkte wurden die fehlende Notwendigkeit zur Beatmung bzw. kardiovaskulären Unterstützung oder Tod am Tag 21 angegeben.

Sowohl Tocilizumab als auch Sarilumab sind effektive Interleukin-6-Rezeptor-Antagonisten. Interleukin-6 wiederum spielt eine entscheidende Rolle in der Entzüngungsmediation und wird auch diagnostisch (beispielsweise bei der Diagnose der neonatalen Sepsis) eingesetzt.

Es wurden 343 Patienten mit Tocilizumab sowie 48 mit Sarilumab und 402 mit einer Standardtherapie versorgt. Im Median waren in der Tocilizumabgruppe die Patienten nach 10 Tagen, in der Sarilumabgruppe nach 11 Tagen ohne intensivmedizinische Betreuung. In der Kontrollgruppe wurden alle Patienten nach 11 Tagen noch behandelt.

Eine Analyse des Überlebens nach 90 Tagen zeigte eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit in der gepoolten Interleukin-6-Rezeptor-Antagonistengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Das relative Hazard-Verhältnis (Hazard Ratio (HR)) betrug 1,61 (95-%-Konfidenzintervall 1,25 – 2,08).

Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass die Blockade des Interleutkin-6-Rezeptors ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten sein kann.

In einer anderen Phase-III-Untersuchung wurden Patienten mit einer schweren COVID-19-bedingten Pneumonie mit ­Tocilizumab (8 mg/kg/KG) im Vergleich zu Placebo behandelt. Es wurden 452 Patienten in die Studie eingeschlossen, 438 (294 aus Tocilizumabgruppe und 144 aus Placebogruppe) konnten ausgewertet werden. Nach 28 Tagen fand sich in dieser Untersuchung kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des klinischen Status zwischen der Tocilizumabgruppe und der Standardtherapie.

Die Autoren schließen aus dieser Untersuchung, dass der Einsatz von Tocilizumab nicht signifikant zu einem besseren kli­nischen Status bzw. einer niedrigeren Mortalität nach 28 Tagen bei Vorliegen einer schweren Pneumonie führt.

Kommentar: Es wäre zu schön gewesen …
Die Annahme ist: Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor für den Verlauf schwerer COVID-19-Infektionen ist die Inflammationsreaktion. Die Blockade der Inflammationsreaktion führt dann zu sehr guten Behandlungsergebnissen.

Das ist leider nicht konsistent nachweisbar. In einer Untersuchung ließen sich Überlebensvorteile durch die Anwendung von Tocilizumab und Sarilumab bei schwer an ­COVID-19 erkrankten Patienten nachweisen.

Der Einsatz von Tocilizumab bei Patientinnen und Patienten mit einer schweren COVID-19-bedingten Pneumonie erbrachte keine Vorteile. Offenbar ist die Pathogenese vielfältig. Risikofaktoren, Infektionslast und genetische Empfindlichkeit gegenüber SARS-COV-2-Infektionen und anderen spielen eine Rolle. Die Inflammationsblockade mag Teil eines Therapiekonzeptes sein, stellt jedoch nicht den alleinigen Durchbruch dar.

Literatur
1. REMAP-CAP Investigators (2021) Interleukin-6 Receptor Antagonists in Critically Ill Patients. N Eng J Med 384: 1491
2. Rosas IO, Bräu N et al. (2021) Tocilizumab in hospitalized Patients with Severe Covid-19 Pneumonia. N Engl J Med 384: 1503


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (6) Seite 374