Bei akuten Infekten wie Atemwegserkrankungen oder Otitis media wird für Kinder sehr oft und schnell ein Rezept für ein Antibiotikum ausgestellt. Doch sind diese Verordnungen tatsächlich auch immer indiziert?

Ein belgisches Forschungsteam hat anhand eines systematischen Reviews mit Metaanalyse ermittelt, dass etwa ein Fünftel bis knapp die Hälfte dieser Verordnungen nicht notwendig sind.

Ruben Burvenich vom Department of Public Health and Primary Care der Katholieke Universiteit Leuven, Belgien, hat mit seinen Kollegen in die Metaanalyse 86 Studien mit mehr als 11 Millionen Kindern einbezogen. Das Forschungsteam aus vier verschiedenen europäischen Ländern hat die Antibiotikaverordnungen bei Kindern bis zum Alter von zwölf Jahren in Ländern mit hohem Einkommen untersucht. Dabei wurde in 50 Studien die Verschreibung von Antibiotika bei Atemwegsinfektionen untersucht, 13 Artikel hatten den Fokus auf der akuten Otitis media. Aus allen Studien ergab sich eine gepoolte Antibiotikaverordnungsrate von 45,4% für alle akut erkrankten Kinder sowie von 85,6 % für Kinder mit akuter Otitis media, 37,4 % für Infektionen der Atemwege und 40,4 % für andere Diagnosen. Für angemessene Antibiotikaverordnungen wurde eine gepoolte Rate von 68,5 % (95 % Konfidenzintervall KI 55,8G% bis 78,9 %) ermittelt. (19 Studien, 119.995 Teilnehmende).

In der Studie wurde auch untersucht, welche Antibiotika verordnet wurden. Mit 38,3 % aller Antibiotika lagen Aminopenicilline an erster Stelle, es folgten andere Penicilline (Cephalosporine, Amoxicillin und Makrolide. Penicilline wurden am häufigsten für akute Otitiden und am seltensten für Gastroenteritiden verordnet.

Die Verschreibungsrate an Antibiotika für akut kranke Kinder in der ambulanten Versorgung in Ländern mit hohem Einkommen ist hoch. Eltern fordern häufig eine Verschreibung, da sie annehmen, dass nur ein Antibiotikum dem akut kranken Kind helfen kann. Da die meisten akuten Infektionen im Kindesalter viral bedingt und damit selbstlimitierend sind, besteht aber oft keine Notwendigkeit für den Einsatz von Antibiotika. Unsicherheiten bei der Diagnose oder Zeitdruck sind weitere Gründe für die Verschreibung eines nicht adäquaten Antibiotikums. Die häufige und unnötige Einnahme von Antibiotika kann jedoch dazu führen, dass die Mittel keine Wirkung mehr zeigen, wenn sie wirklich benötigt werden. Viele Infektionen wären dann möglicherweise in Zukunft nicht mehr behandelbar. Laut einer Analyse der Antimicrobial Resistance Collaborators sterben jährlich weltweit rund 1,27 Millionen Menschen aufgrund von Resistenzen.

Um Antibiotika-Resistenzen zu verhindern, wurden Antibiotika-Stewardship-Programme initiiert. Antibiotika-Stewardship beschreibt ein breit angelegtes Konzept zum verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika bei Infektionskrankheiten.


Quelle:
Arch Dis Child 2022, Antibiotic use in ambulatory care for acutely ill children in high- income countries: a systematic review and meta- analysis, Ruben Burvenich et al.

Katharina Maidhof-Schmid