Ein Leserbrief zu unserer Pro- und Contra-Debatte in Ausgabe 6/2018 zur Frage nach der optimalen Betreuung von Kindern in den ersten Lebensjahren.

In Kipra 6/2018 haben wir Pro & Contra zum Thema "U3-Betreuung in Kitas" dargestellt. Pro-Position (Dr. Ulrike Horacek): "Kleinkinder in den ersten 3 Lebensjahren sind in Kitas gut aufgehoben"; Contra-Position (Dr. Rainer Böhm): "Gruppenbetreuung in den ersten 3 Lebensjahren führt zu chronischer Stressbelastung mit Folgen". Die folgenden Anmerkungen dazu erreichten uns als Leserzuschrift.

Die in der Kinderärztlichen Praxis 6/2018 und zuvor beim Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in Leipzig ausgetragenen Standpunkte sind schon länger bekannt. Die jeweiligen Positionen sind zum Teil gut nachvollziehbar, andere wiederum umstritten. Doch zielt dieses Kontroverse um das Pro und Contra der außerhäuslichen Betreuung der unter 3-jährigen Kinder überhaupt in die richtige Richtung?

Die klare Antwort lautet: Nein! Denn viele Aussagen auf beiden Seiten sind gar nicht so gegensätzlich, da sie auf verschiedenen Ebenen ansetzen.

Beginnen wir mit den Pro-Argumenten:
  • zu der Aussage "Kleinkinder in den ersten 3 Lebensjahren sind in Kitas gut aufgehoben" gibt es keine belastbaren Aussagen für hier, heute, unsere Rahmenbedingungen und unsere Kinder.
  • zum Betreuungsumfang in Stunden und zu ihrer Verteilung gibt es keine plastischen Daten aus der Jugendhilfestatistik.
  • privilegierte Kinder profitieren besonders von guter Betreuungsqualität, unterprivilegierte Kinder reagieren besonders vulnerabel auf schlechte Qualität.

Und aus dem Contra-Statement:
  • viele Eltern sehen keine Wahlfreiheit mehr für sich.
  • frühe Gruppenbetreuung bedarf daher neben einem Qualitätsmanagement unabdingbar einer Alters- und Zeitbegrenzung.
  • eine bessere gesellschaftliche Unterstützung von Familien und kindlicher Gesundheit, zu der eben auch die außerhäusliche Betreuung im Kleinkindesalter gehört, ist durchaus mit modernen Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit kompatibel.

Es zeigt sich zudem auch, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich kleiner wird und sich durchaus begrüßens- und unterstützenswerte Entwicklungen abzeichnen.

Zudem muss berücksichtigt werden, dass auch – gerade in Zeiten vieler Ein-Kind-Familien – die außerhäusliche Betreuung als gesellschaftlicher Trend ein Spiegelbild unserer Zeit ist.

Sind diese unterschiedlichen Positionen nun irgendwie mit Lösungsansätzen vereinbar? Ja, durchaus. Dabei muss es aber dann weit stärker um die noch deutlichere Darstellung und Realisierung wichtiger Qualitätsstandards als um ein Pro oder Contra gehen! Ist das nicht gerade auch die Stärke der in der Sozialpädiatrie tätigen Professionen und damit eine ureigene Aufgabe der Sozialpädiatrie?

Wir sollten verstärkt "nach Verbündeten suchen und Allianzen für und nicht gegen etwas eingehen". Könnte dieses Statement aus dem Pro-Lager so nicht zu einer gemeinsamen Position führen? Und könnten nicht genauso die Contra-Argumente als Grundlage für – allerdings deutlich – differenziertere weitere Überlegungen dienen, die schließlich in bessere Qualitätsstandards münden können?



Korrespondenzadresse
Dr. Claudia Oberle
SPZ am Olgahospital
Klinikum Stuttgart

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (2) Seite 134