Für die meisten seltenen Erkrankungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter fehlen strukturierte Transitionsprogramme und passende Anlaufstellen sowie Aufnahmestationen in Krankenhäusern. Auf diese gravierenden Defizite haben diverse Redner bei der 70. Jahrestagung der DGSPJ in Leipzig hingewiesen.

Stellvertretend hierfür berichte Dr. Elke Reutershahn aus Duisburg von jungen Patienten mit Williams-Beuren-Syndrom, einer seltenen genetischen multisystemischen Erkrankung, deren Häufigkeit zwischen 1:7.500 und 1:20.000 liegt. Im Erwachsenenalter würden bei den jungen Patienten insbesondere kardiovaskuläre, endokrine und gastrointestinale Erkrankungen auftreten, berichtete die Referentin, die bereits 230 Familien in Duisburg mitbehandelt hat. 65 von ihnen sind älter als 18 Jahre, wobei das Durchschnittsalter der Erwachsenen bei 26 Jahren liegt. 70 % der Duisburger Patienten litten an arterieller Hypertonie, 5 % an einer Zöliakie (Normalbevölkerung 1 %) und 33 % an Diabetes mellitus Typ 2 (Normalbevölkerung 7,2 %). Auch Bauchschmerzen und Blasenentleerungsstörungen treten bei Williams-Beuren-Patienten überdurchschnittlich häufig auf.

Um den Behandlungserfordernissen von Menschen mit seltenen Erkrankungen besser gerecht werden zu können, forderte Dr. Christoph Herzberg vom SPZ Berlin-Neukölln die Einrichtung von deutlich mehr Zentren für Menschen mit seltenen Erkrankungen, in denen ein Erwachsenenmediziner den "Hut aufhaben muss." Für seltene Erkrankungen, die mit einer schweren Behinderung assoziiert sind, sollten nach Ansicht von Prof. Bernd Wilken aus Kassel schnell die inzwischen auch gesetzlich verankerten Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit komplexer Behinderung (MZEB) etabliert werden. Wilken: "Darauf müssen wir alle hinarbeiten, damit wir von Insellösungen endlich wegkommen."



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (6) Seite 381