Der BDKJ zeigt sich besorgt angesichts der jüngsten Masernwelle - und bezeichnet die derzeitige Praxis der Impfberatung als "stumpfes Schwert", weil nicht vollständig geimpfte Kinder trotzdem in die Kita aufgenommen werden.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat beim Herbstkongress in Bad Orb die bundesweite Impfstrategie scharf kritisiert. Angesichts der heftigsten Masernwelle im Jahr 2015 seit 10 Jahren mit 2.465 registrierten Erkrankungen stehe die Regierung unter Handlungszwang.

Kongressleiter Prof. Klaus-Michael Keller wies dabei darauf hin, dass die WHO die USA mittlerweile für masernfrei erklärt habe. Zwar gebe es in den Staaten nach wie vor einzelne eingeschleppte Masernfälle. Der letzte endemische Masernausbruch liegt jedoch laut Keller fast 15 Jahre zurück. BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach kritisierte deshalb insbesondere das halbherzige Vorgehen der Bundesregierung. Die neue gesetzliche Reglung, wonach ein Kind vor Aufnahme in einen Kindergarten oder eine Kita eine Impfberatung durch einen Arzt vorlegen müsse, sei ein „stumpfes Schwert“, weil es zu keinerlei Konsequenzen führe. Kinder, die trotz der Beratung keinen vollständigen Impfschutz vorweisen können, würden genauso aufgenommen werden wie die Kinder, die nach den STIKO-Empfehlungen geimpft sind. Der BVKJ schließt daher nicht aus, dass es künftig zu weiteren Masernwellen kommen könnte.



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (2) Seite 80