In seiner Praxiskolumne in der Kinderärztlichen Praxis 2/2018 erinnerte Markus Landzettel an die deutsche Vergangenheit: 1938 wurde den deutschen Kinder- und Jugendärzten jüdischen Glaubens die Approbation entzogen. Zu diesem Artikel gab es auch Monate nach Erscheinen noch Leserzuschriften. Wir haben sie hier für Sie zusammengestellt.


"Parteipolitik gehört woandershin"

Bitte verschonen Sie uns in Zukunft mit Beiträgen dieser Art. Parteipolitik gehört woandershin. Dies soll doch eine Fachpublikation sein. Wir benötigen keine Belehrungen von selbsternannten und -gerechten Auguren, die andere unter Generalverdacht stellen, und glauben, diese müssten auch noch permanent Bekenntnisse ablegen.

Wir wissen es, und lange vor Landzettel, welche Gräuel passiert sind vor über 80 Jahren. Und wir brauchen keinen ungebetenen Nachhilfeunterricht und müssen uns auch nicht hierzu permanent erklären. Wir sind nämlich integer.

Übrigens, ich bin 64 Jahre alt, und habe in meinem ganzen Leben nicht eine antisemitische Äußerung in meinem persönlichen Umfeld gehört. Dies zu dem Punkt, wie in bester populistischer Manier in besagter Kolumne dem Antisemitismus in Deutschland ein Stellenwert zugeschrieben wird, der einfach völlig unbelegt ist.

Und schlussendlich, das schlägt dem Fass den Boden aus, als Heilmittel zudem das verordnet, was er zuvor gebrandmarkt hat. Dieses Niveau werde ich mir in Zukunft ganz sicher ersparen.

Dr. Vinzenz Kuss,
Kinderarzt



"Aufruf zur Erinnerung hat seinen berechtigten Platz"

Es ist immer sinnvoll, an schlimme Vorkommnisse unserer Geschichte zu erinnern – zumal, wenn sich die Zuspitzung zum Progrom gegen die Juden zum 80. Male gejährt hat. Ich danke dem geschätzten Kollegen Dr. Landzettel für seine Darstellung der Ereignisse und auch für den Aufruf zur Ablehnung von klar fremdenfeindlichen und intoleranten Strömungen. Kein Mensch in Deutschland möchte hasserfüllte und fremdenfeindliche Aussagen in deutschen Parlamenten hören. Gute und konstruktive Kommunikation geht anders. Das gilt für die große Politik, für jeden Tag auf der Arbeit, abends in den Vereinen, auf der Straße und in den Familien. Strömungen und Spitzen gegen Menschlichkeit gab und gibt es immer, besonders in unserer globalisierten Alltagswelt. Dieser Anspruch stellt immer und an jeden eine persönliche Herausforderung dar.

Daher reagiere ich mit Unverständnis auf kritische Stimmen zum Artikel von Dr. Landzettel (persönliche Mitteilung). Sein Aufruf zur Erinnerung und zur Ablehnung von klar fremdenfeindlichen Strömungen ist immer richtig und hat in einem Blatt unserer ärztlichen Fortbildung immer seinen guten und berechtigten Platz.

Dr. med. Vigil Berleth,
Kinder- und Jugendarzt, Freilassing



"Wachsam bleiben"

Danke für diesen Artikel. Es ist richtig und wichtig, anlässlich eines so traurigen Jahrestages auch mahnende Worte an uns alle zu richten. Damals wurden die Anzeichen der kommenden menschlichen Katastrophe herabgespielt. Nur durch die ständige Diskussion schaffen wir es, dass wir wachsam bleiben und rassistischen Entwicklungen entgegen steuern .

Toleranz und Meinungsvielfalt sind ein hohes gesellschaftliches Gut und eine Errungenschaft der Demokratie. Gelebte Demokratie findet nicht nur alle vier Jahre mit der Wahl des nächsten Bundestags statt, sondern insbesondere im Alltag, im Zusammenleben mit unseren Mitbürgern oder auch als Diskussion in Fachgremien, insbesondere bei Berufen wie unserem, der so nah an den Menschen ist, wie kaum ein anderer Beruf. Offenheit und Toleranz den Minderheiten und anderen Kulturen gegenüber sind für mich die notwendige Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Patienten.

Rassistische Diskriminierung ist ein Thema, vor dem wir uns nicht verschließen dürfen, findet aber leider im Alltag statt. Uns erreicht sicher nur die Spitze des Eisbergs. Wie bei einem dunkelhäutigen Patienten passiert, der von einer Lehrerin im Unterricht angesprochen wurde, indem sie meinte: "Und was sagt unser Schokobrötchen dazu?".

Hier sehe ich es als unsere (christliche) Pflicht an, sowohl ein gutes Vorbild zu leben als auch zu unterstützen und Stellung zu beziehen!

Dr. Dagmar Meyer-Schewitz,
FÄ für Kinder- und Jugendmedizin, Darmstadt


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (2) Seite 81