Der Aufwand ist meist hoch, um Impfgegnern Paroli bieten zu können. Möglich ist es aber, das belegen auch die Erkenntnisse aus einer Analyse der Erfurter Kommunikationswissenschaftlerin Professor Cornelia Betsch.


Rhetorische Techniken lassen impfskeptische Botschaften auf den ersten Blick plausibel erscheinen, halten aber einer kritischen wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand. Das geht aus einer Analyse hervor, die die Psychologin und Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Cornelia Betsch aus Erfurt und weitere Ko-Autoren im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht haben [1].

Aufgeputscht wird die Thematik häufig noch dadurch, dass polarisierende Themen von Medien bevorzugt aufgegriffen werden. Sitzen dann in Talkshows Diskutanten mit unterschiedlichen Standpunkten, entstehe leicht der Eindruck, dass auch die Verteilung entsprechender Meinungen in der Bevölkerung gleich sei. Das ist aber nicht der Fall, weil hierzulande lediglich 2 – 4 % der Bevölkerung Impfungen ablehnen.

Neben den rhetorischen Taktiken der Impfgegner (Bestehen auf 100 %iger Sicherheit, Verschwörungsszenarien von Industrie und Politik, Verzerrung der Datenlage durch sogenannte „fake ­experts“) beeinflussen aber auch andere Aspekte das Impfverhalten der Bevölkerung. Dazu zählen unter anderem:
  • Risikowahrnehmung (complacency): Impfungen sind überflüssig, da die Krankheiten, gegen die sie schützen sollen, kaum noch auftreten,
  • Impfbarrieren (constraints): Alltagsstress hält mich davon ab, mich impfen zu lassen,
  • Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft (collective res­ponsibility): Wenn alle geimpft sind, brauche ich mich nicht auch noch impfen zu lassen.

Doch wie kann nun das Impfverhalten günstig beeinflusst werden? Wichtig ist hierbei, dass zum Beispiel der zeitliche oder finanzielle Aufwand, um Impfungen wahrzunehmen, stimmen muss. Zudem sollte das Gefühl dafür geweckt werden, dass mit Impfungen die Übertragung von Krankheiten – etwa auf Kleinkinder – deutlich reduziert werden kann. Das Herausstellen solcher Zusammenhänge und das Widerlegen von offensichtlichen falschen Argumenten der Impfgegner können nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler die Impfbereitschaft der Bevölkerung tatsächlich positiv beeinflussen.

Kommentar:
Bekanntlich ist der Aufwand recht hoch, um ideologisierten Impfgegnern Paroli bieten zu können. Möglich ist es aber allemal, das belegen auch die Erkenntnisse der Erfurter Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Cornelia Betsch. Wichtig dabei ist es, als einzelner Kinder- und Jugendarzt Empathie zu zeigen, durchaus auch Verständnis für Vorbehalte zu äußern und vor allem immer wieder auf eigene positive Erfahrungen mit Impfungen zu verweisen. Was Pädiater hin und wieder vergessen: Mit ihrer persönlichen Meinung und Lebenserfahrung haben sie auch heute noch großen Einfluss bei ihren Patienten. Mit diesem Pfund sollten sie künftig deshalb auch verstärkt wuchern!

Literatur
1. Betsch C, Schmid P, Korn L, Steinmeyer L, Heinemeier D et al. (2019) Impfverhalten psychologisch erklären, messen und verändern. Bundesgesundheitsbl 62 (4): 400 – 409


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (6) Seite 390