War die Warnung von Experten, wonach die häusliche Gewalt während des pandemiebedingten Lockdowns in Deutschland zunehmen könnte, berechtigt?

Vor allem Quarantäne und finanzielle Nöte scheinen wohl tatsächlich dafür verantwortlich zu sein, dass diese Einschränkungen vermehrt zu Gewaltausbrüchen geführt haben. Das jedenfalls erhärten nun Daten einer repräsentativen Studie der Technischen Universität München (TUM), die die TUM gemeinsam mit dem RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt hat.

Für die Studie sind 3.800 Frauen in Deutschland im Alter zwischen 18 und 65 Jahren online nach ihren Erfahrungen aus den Zeiten mit den strengsten Kontaktbeschränkungen befragt worden. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus waren für die Studienautorinnen Frau Prof. Janina Steinert (TUM) und Dr. Cara Ebert (RWI) die folgenden:
  • drei Prozent der Frauen gaben an, Opfer körperlicher Gewalt – wie etwa Schläge – geworden zu sein.
  • 3,6 Prozent meinte, sie seien von ihrem Partner vergewaltigt worden.
  • Emotional fühlten sich 3,8 Prozent der Frauen von ihrem Partner bedroht.
  • 4,6 Prozent gaben an, dass ihr Partner die Kontakte mit anderen Personen – auch über digitale Wege – reguliert habe.
  • In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft.

Deutlich mehr Gewalt mussten Frauen und Kinder nach den Ergebnissen der Studie dann erfahren, wenn:
  • sich die Befragten zu Hause in Quarantäne befanden (körperliche Gewalt gegen Frauen: 7,5 Prozent, gegen Kinder: 10,5 Prozent),
  • die Familie akute finanzielle Sorgen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 8,4 Prozent, gegen Kinder: 9,8 Prozent),
  • einer der Partner aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit war oder den Arbeitsplatz verloren hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 5,6 Prozent, gegen Kinder: 9,3 Prozent),
  • einer der Partner Angst oder Depressionen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 9,7 Prozent, gegen Kinder: 14,3 Prozent).

Sollte es zu einem zweiten Lockdown kommen, sollten psychologische Beratungen und Therapien vermehrt auch online angeboten, da Depressionen und Angstzustände das Gewaltpotenzial am meisten erhöhen. Auch generell sollten nach Ansicht von Steinert und Ebert Hilfen weit mehr als bislang online angeboten werden, entweder per Chat, Messenger und E-Mail. Denn: „Wenn Frauen durch ihre Partner intensiv kontrolliert werden, können sie telefonische Beratungsangebote nur schwer nutzen.“


Quelle: Ärzte Zeitung | ras