Kinder und Jugendliche mit einem Diabetes mellitus werden in einzelnen Einrichtungen im Zuge der Coronakrise bundesweit weiter vom Schulbetrieb ausgenommen. Ist das gerechtfertigt?

Für das Robert Koch-Instituts (RKI) offenbar schon, da Diabetespatienten zur Risikogruppe zählen. Die Arbeitsgemeinschaft „Pädiatrische Diabetologie“ (AGPD) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) weist dagegen darauf hin, dass laut aktuellem internationalen Forschungsstand Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes nicht häufiger oder schwerer an COVID-19 erkranken als andere Kinder. Sie sollten daher ebenso am Unterricht teilnehmen dürfen wie ihre gesunden Mitschüler.

In Deutschland waren Ende April 2020 rund 9.000 Kinder und Jugendliche nachweislich am Coronavirus erkrankt. Die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt, da in diesem Alter die Erkrankung meist mild verläuft. Aus einer chinesischen Studie sowie mündlichen Berichten italienischer Diabetologen könne allerdings begründet abgeleitet werden, dass Kinder und Jugendliche mit einem Diabetes mellitus kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Virusinfektion haben.

„Aus kinderdiabetologischer Sicht spricht also nichts dagegen, dass im Zuge der aktuell geplanten Schulöffnungen auch die hierzulande rund 30.000 Kinder und Jugendlichen mit Diabetes die Schule besuchen“, so die Überzeugung von DDG Vizepräsident Professor Dr. med. Andreas Neu aus Tübingen. Auch die AG Pädiatrische Diabetologie (AGPD) hat hierzu weitere aktuelle Informationen zusammengetragen, die allesamt die gleiche Schlussfolgerung zulassen.

Dennoch haben einige Bundesländer wie Thüringen beschlossen, Kinder mit Diabetes zunächst pauschal vom Präsenzunterricht auszuschließen. Das kann Privatdozent Dr. med. Thomas Kapellen, Sprecher der AG „Pädiatrische Diabetologie“ der DDG, ganz und gar nicht nachvollziehen: „Bisher kennen wir kein Kind mit Typ-1-Diabetes, das durch COVID-19 zu Schaden gekommen wäre. Unsere Erkenntnisse zum Infektionsverlauf bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes legen nahe, dass sie nicht gefährdeter sind als ihre Altersgenossen und daher ganz normal am Alltagsleben teilhaben können.“

Aus organisatorischer und psychosozialer Sicht sei es äußerst bedenklich und grenze an Diskriminierung, diese Kinder nur aufgrund ihres Diabetes ohne weitere objektive medizinische Gründe vom Unterricht auszuschließen.



ras