Kinderarzt Markus Landzettel findet, die berechtigten Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung sollten auch von Seiten der Kinder- und Jugendärzte unterstützt und bestärkt werden. Dazu nennt er mehrere Möglichkeiten.

Zukunftsängste gab es in der Vergangenheit immer schon. In meiner Generation hatten die Jugendlichen Sorgen wegen des atomaren Wettrüstens. Andere Jugendgenerationen machten sich Sorgen über das nackte Überleben bei kriegerischen Auseinandersetzungen, Verfolgung aus politischer, religiöser oder rassistisch motivierter Gewalt, eigener Erkrankung, Perspektivlosigkeit, Mobbing, Einsamkeit, Manipulation durch soziale Netzwerke oder einfach wegen schlechter Berufsaussichten oder finanzieller Nöte.

Diese Sorgen ließen sich aber durch menschliches Handeln verringern. Die Gefahr eines Atomkrieges konnte durch Verträge aufgehalten werden, Kriege konnten beendet oder durch diplomatisches Handeln verhindert werden. Verfolgung durch Umsetzung der Menschenrechte beendet werden. Mobbing ließ sich durch Mediation und Buddies verringern. Vieles blieb und bleibt aber ungelöst.

Die heutige Generation der Jugendlichen hat nun aber mit der sich anbahnenden Klimakatastrophe eine Sorge um die Zukunft, die einen angst und bange werden lassen kann. In den bei den J1-Untersuchungen eingesetzten Satzergänzungstests kann die Tendenz zu der großen Sorge um die durch Klimawandel bedrohte eigene Zukunft deutlich herausgelesen werden.

Die durch etliche wissenschaftliche Arbeiten untermauerten Prognosen sind verheerend. Das Ganze hat eine Dynamik entwickelt, die sich durch Menschenhand wohl kaum mehr umkehren lässt, wenn nichts Grundlegendes geändert wird. Ob die, von Experten eindringlich geforderte, Nullbilanz bei den Kohlendioxidemissionen im Jahr 2030 erreicht werden kann, ist durch die mageren Beschlüsse der Regierungen sehr fraglich. Die derzeitig beschlossenen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei Weitem nicht aus.

Dabei sind die Sichtweisen auf Ursachen, Auswirkungen und die erforderlichen Maßnahmen alles andere als neu. Seit nunmehr 30 Jahren sind diese Zusammenhänge beschrieben. Bei den diversen Weltumweltkonferenzen zwischen 1979 in Genf und 2019 in Santiago de Chile wurde der bereits im Jahr 1824 vom französischen Physiker und Mathematiker Joseph Fournier beschriebene Treibhauseffekt durch die ansteigende Kohlendioxidkonzentration als eine zentrale Ursache für den Klimawandel angesehen.

Nun könnte einen das beschriebene Szenario des Hitzekollaps der Erde lähmen, gleichgültig und depressiv machen. Aus der Angst heraus entstand aber im Gegenteil unbändiger Handlungswille mit der Vision, die Zukunft zu retten. Nun aktivieren sich die Schüler selbst und organisieren Schulstreits für das Klima. Vorreiterin und mittlerweile mediales Gesicht ist Greta Thunberg, eine 16-jährige schwedische Schülerin. Viele Schüler weltweit und vor allem in Deutschland engagieren sich an denen von Erwachsenen anfangs belächelten und auch angefeindeten Schulstreiks. Dank unserer Jugend erleben wir heute Einzigartiges und Historisches für die Menschheit: ein neues soziales Engagement, parteilos und ohne Ideologie. Endlich bündeln die jungen Menschen ihre Kräfte und werden zu echten Weltbürgern. Damit korrigiert sich die Sicht auf die als unpolitisch und stark mit sich selbst beschäftigte, lediglich nach schneller Befriedigung des Spaßbedürfnisses strebende Generation.

»Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. […] Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt.«
Greta Thunberg

Es ist ein großer Verdienst der Fridays-for-Future-Bewegung, hier Jugendliche und die Gesellschaft wachgerüttelt und aktiviert zu haben. Die berechtigten Forderungen nach schnellem und konsequentem Handeln sollte auch von Seiten der Kinder- und Jugendärzte unterstützt und bestärkt werden. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten sich zu informieren, u. a. bei den "scientits for future" oder "health for future", oder einfach in der Kommunikation mit den Jugendlichen selbst in der täglichen Praxis.

Dr. Markus Landzettel, Darmstadt


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (6) Seite 388