In einer "aktualisierten Stellungnahme der STIKO am Robert Koch-Institut zur Bewertung der Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B" kommt die Kommission zu dem Schluss, die Meningokokken-B-Impfung weiterhin nicht als Standardimpfung in Deutschland zu empfehlen. Gründe und Hintergründe nennt Prof. Markus Knuf.

Seit einigen Jahren steht ein Vierkomponentenimpfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe B (4CMenB) zur Verfügung, der bereits im Säuglingsalter angewendet werden kann. Im Sommer 2017 kam ein weiterer, bivalenter Impfstoff gegen Meningokokken B (2CMenB) hinzu, der für Schulkinder und Jugendliche zugelassen ist.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat aus diesem Grund eine Neubewertung der Meningokokken-B-Impfprävention als Standardimpfung vorgenommen. In einer "aktualisierten Stellungnahme der STIKO am Robert Koch-Institut (RKI) zur Bewertung der Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B" vom 21. 11. 2017 kommt die Kommission zu dem Schluss, die Meningokokken-B-Impfung (MenB-Impfung) weiterhin nicht als Standardimpfung in Deutschland zu empfehlen.

Wesentliche Gründe für diese Ablehnung finden sich in der klinischen Bedeutsamkeit von Meningokokken-B-Erkrankungen in Deutschland (wenige Fälle), aber auch im Hinblick auf fehlende Daten zur Sicherheit, Effektivität und Schutzdauer der Meningokokken-B-Impfstoffe sowie deren Einfluss auf das Trägertum (Kolonisation). Aufrechterhalten bleibt die seit 2015 gültige Empfehlung der STIKO für eine MenB-Impfung bei Personen mit einem erhöhten Risiko für invasive Meningokokken-Infektionen. Das sind Personen mit angeborener oder erworbener Immuneffizienz bzw. -suppression mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion, insbesondere Komplement-/Properdindefekte, Eculizimab-Therapie, Hypogamma-Globulinämie und anatomischer oder funktioneller Asplenie (z. B. Sichelzellanämie), Laborpersonal bei Arbeiten mit dem Risiko, einem Neisseria meningitidis-haltigen Aerosol ausgesetzt zu sein, Reisende in Länder mit epidemischen/hyperendemischen Vorkommen und Haushaltskontakte von Patienten mit einer invasiven Meningokokken-Erkrankung (IME).

Krankheitslast invasiver Meningokokken-Erkrankungen

Hinsichtlich der Krankheitslast ist zu erwähnen, dass in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2016 im Mittel 315 Personen an IME (67 % durch Meningokokken der Serogruppe B) erkrankten. Seit 2005 hat die Zahl der gemeldeten Serogruppe-B-Erkrankungen stark abgenommen. Von 2001 bis 2005 lag die Zahl noch zwischen 400 bis 570 Fällen pro Jahr. Das höchste Erkrankungsrisiko für IME haben Säuglinge und Kleinkinder. 34, 18 und 11 der 211 jährlichen MenB-Fälle entfielen auf Kinder im 1., 2. und 3. Lebensjahr, was einer Inzidenz von 4,6 sowie 2,4 bzw. 1,6 Fälle je 100.000 altersgleiche Kinder entspricht. Ein weiterer Krankheitsgipfel liegt bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren (0,73 Erkrankungen je 100.000 Einwohner).

Zur Impfprävention stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung. Seit einigen Jahren ist der 4CMenB-Impfstoff Bexsero® im Handel. Hierbei handelt es sich um eine reverse Vakzinologie-Entwicklung. Der Impfstoff besteht aus detoxifizierten äußeren Membranvesikeln und Membranproteinen: Faktor-H-Bindungsprotein (fHbp), Neisseria-Heparin-Bindungsantigen (NHBA) und Neisseria-Adhäsin-A-Bindungsantigen (NHBA) sowie Neisseria-Adhäsin-A (NadA). Daneben ist ein bivalenter MenB-Impfstoff (Trumemba®) verfügbar, der auf zwei Subfamilien von fHbp beruht. Mit 4CMenB lassen sich schätzungsweise 82 % der zirkulierenden invasiven Meningokokken-B-Stämme in Deutschland, die mindestens eines der in diesem Impfstoff enthaltenden Antigene exprimieren, "abdecken". Bezüglich des bivalenten Impfstoffes ist zu sagen, dass fHbp von fast allen Meningokokken-Stämmen exprimiert wird. Da 2CMenB eine fHbp-Variante aus jeder der beiden immunologisch unterschiedlichen fHbp-Familien enthält, ist von einer breiten "Abdeckung" auszugehen.

Mit beiden Impfstoffen sind verschiedene Impfschemata geprüft worden. Es liegen ebenso Ko-Administrationsdaten sowie Daten zur Immunogenität und Reaktogenität vor. Offen ist die Langzeitantikörperpersistenz und tatsächliche Wirksamkeit im klinischen Einsatz. Hierzu erwartet die STIKO Daten aus der breiten Anwendung in Großbritannien. Auch hinsichtlich eines Herdenschutzes bzw. Einflusses auf das Trägertum fehlen noch Daten. Die STIKO kommt aufgrund der nationalen wie internationalen Datenlage zu dem Schluss, dass eine MenB-Impfung als Standardimpfung erst dann empfohlen werden sollte, wenn weitere Daten zur Sicherheit, Effektivität und Schutzdauer der MenB-Impfstoffe sowie deren Einfluss auf das Trägertum vorliegen. Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf

Kommentar:
Beide MenB-Impfstoffe sind eingehend untersucht und studiert worden. Die von der STIKO geforderten Daten lassen sich nicht in klinischen Studien ermitteln, sondern sind nur im Feldversuch zu erheben. Insofern stellt sich die Frage, ob tatsächlich die genannten Faktoren Wirksamkeit, Sicherheit und Schutzdauer entscheidend waren für die STIKO-Bewertung. Man stelle die genannten Anforderungen beispielsweise an die Tetanus- und Diphtherie-Impfung oder Hepatitis-B-Impfung. Es würde wohl kaum zu einer Empfehlung kommen. Sicher dürfte die Kostenintensivität eines MenB-Impfprogramms eine Rolle bei der Diskussion um die Impfempfehlung gespielt haben. Richtig ist, dass IME selten sind. Richtig ist aber auch, dass IME einen grausamen Verlauf nehmen, wie er nur von wenigen Infektionserregern bekannt ist.

Literatur
n. n., Epidemiologisches Bulletin, 3/2018


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (4) Seite 244