Relativ einfache körperliche Interventionen, wie Sporttreiben, können die Lebensqualität von Anfallspatienten deutlich verbessern. Das ist ein wesentliches Ergebnis einer Auswertung von 42 Studien.

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen mit einer Lebenszeitrevalenz von 7,6 pro 1.000 Menschen. Neben den wiederkehrenden Anfällen treten Komorbiditäten wie ­kognitive, motorische und psychologische Probleme sowie Schwierigkeiten im sozialen Bereich auf.

Sport und körperliche Aktivität stellen ein attraktives Argument zur Steigerung der Lebensqualität und allgemeinen Krankheitsprävention dar. Dennoch wurde Menschen mit Epilepsien lange Zeit abgeraten, Sport zu treiben. Ein Bonner Forscherteam hat eine Literaturrecherche in PubMed und Web of Science durchgeführt und insgesamt 14.269 Studien zur Frage „Sport und körperliche Aktivität bei Epilepsien“ identifiziert. Die ausgewählten Studien wurden methodisch qualitativ bewertet und in Evidenzklassen eingeteilt. Letztendlich wurden in die Auswertung 42 Studien eingeschlossen. Im Einzelnen waren dies
  • 4 Fallstudien,
  • 10 Interventionsstudien,
  • 1 epidemiologische Studie,
  • 12 Befragungsstudien,
  • 2 Interviewstudien sowie
  • 9 Studien zur einmaligen Belastung und
  • 4 Studien mit einer kombinierten Betrachtung von Befragung und psychischen Tests.

Wesentliche Ergebnisse sind, dass Menschen mit Epilepsien weniger körperlich aktiv und leistungsfähig sind als gesunde ­Personen. Auffällig ist, dass die verringerte körperliche Aktivität mit einem vermehrten Auftreten von Komorbiditäten sowie einer reduzierten Lebensqualität assoziiert ist. Körperliche Interventionen können die Lebensqualität verbessern. In den meisten Fällen wirkt sich sportliche Aktivität offenbar nicht negativ auf die Anfallsfrequenz aus. Aus den umfangreichen Literaturstudien ergibt sich insgesamt keine Grundlage dafür, ein allgemeines Sportverbot auszusprechen, sondern Anfallspatienten sollten eher dazu angeleitet und ermutigt werden, Sport zu treiben. Bei der Auswahl der Sportart ist sicher auf ein Gefährdungspotenzial mit Blick auf Anfälle zu achten. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass es nicht zur Eigen- und Fremdgefährdung durch Anfälle kommen darf. Das Vorgehen ist somit individuell zu treffen.

Kommentar:
Die systematische Analyse der Literatur unterstützt, dass relativ einfache Interventionen, wie Sporttreiben, die Lebensqualität von Anfallspatienten deutlich verbessern können. Vorbehalte diesbezüglich sollte es nicht geben. Einschränkend muss gesagt werden, dass die untersuchten Personen im Wesentlichen Erwachsene waren. Ob die Ergebnisse ohne Weiteres auf das Kindesalter übertragen werden können, bleibt offen.

Literatur
van den Bongard et al. (2020) Sport und körperliche Aktivität bei Epilepsien. Dtsch Arztbl Int 117: 1 – 6


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2020; 91 (4) Seite 236