Verbesserte Kommunikation mit Patienten durch Erkennen von Sprachdifferenzen und kompetente Zusammenarbeit mit Dolmetschenden im interprofessionellen Team: das soll das Seminar "Interpret2Improve" erreichen. Eine Idee, die mit dem Preis "Transkulturelle Pädiatrie" ausgezeichnet wurde.

Mit dem innovativen Ansatz "Interpret2Improve" lernen Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ) und Auszubildende der (Kinder)kranken- und Gesundheitspflege des Mittel- und Oberkurses in einem gemeinsamen Seminar, die Bedeutung von Sprachbarrieren (SB) und die effektive Zusammenarbeit mit Dolmetschenden einzuschätzen. Für diese Bemühungen sind die Autoren bei der DGSPJ-Jahrestagung 2018 in Leipzig mit dem Preis "Transkulturelle Pädiatrie" der DGSPJ gewürdigt worden.

Sprachbarrieren (SB) sind häufig und prägen den Alltag der Patientenversorgung. So sind 75 % der Kinderärzte regelmäßig mit ihnen konfrontiert [1]. SB erschweren die Anamneseerhebung, können einen negativen Einfluss auf die Behandlungsqualität haben und führen durch häufigere, unnötige Tests, vermeidbare stationäre Aufnahmen und längere Liegezeiten zu erhöhten Kosten [2, 3]. Außerdem beeinflussen SB die Patientensicherheit negativ.

So konnte gezeigt werden, dass das Risiko für relevante medizinische Fehler bei Vorliegen einer SB um 17 % erhöht ist [4]. Gleichzeitig werden SB häufig nicht bzw. spät erkannt. Eine gute Möglichkeit zur Überwindung von SB ist der Einsatz von Dolmetschenden. Die Zusammenarbeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe mit Dolmetschenden ist aber oftmals verbesserungswürdig. Das 3-stündige Blockseminar bei "Interpret2Improve" besteht aus einem theoretischen Teil und praktischen Übungen. Im theoretischen Teil werden der Zusammenhang von SB und Patientensicherheit und der Behandlungsqualität sowie das Erkennen von SB im Alltag in einer interaktiven Diskussion mit den Teilnehmenden (TN) – angeleitet durch das interprofessionelle Dozententeam (bestehend aus einem Facharzt für Pädiatrie, einem Medizinpsychologen und Dolmetschenden) – erarbeitet. Zudem erhalten die TN wesentliche Informationen für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Dolmetschenden, zum Beispiel über die Rollenneutralität, die Schweigepflicht oder die verschiedenen Arten des Dolmetschens. Anschließend folgen zwei Simulationen, in denen die TN ein Gespräch mit nicht deutsch-sprechenden Schauspielpatienten und professionellen Dolmetschenden üben. Zum Abschluss erfolgt ein Debriefing.

Die Evaluation erfolgt schriftlich in einem Prä-post-Format mit dem Freiburg Questionnaire for Interprofessional Learning Evaluation [5]. Das Seminar findet zwei- bis dreimal im Semester statt.

Folgende Lernziele hat die Lehrveranstaltung (LV): Nach dem Seminar kennen bzw. können die Teilnehmenden

  • die Bedeutung von Sprachbarrieren für die Qualität der Versorgung in Medizin und Pflege,
  • Sprachbarrieren zuverlässig erkennen,
  • die Vor- und Nachteile verschiedener Dolmetschsysteme,
  • effektiv mit Dolmetschenden zusammenarbeiten.

Im Zeitraum 11/2016 – 07/2018 fanden 7 Seminare mit 51 TN statt. Davon stammen 20 TN aus der Kranken- und Gesundheitspflege und 31 TN waren PJ-Studierende, 42 TN waren weiblich. Das Durchschnittsalter betrug 25,5 Jahre. Es zeigten sich signifikante Werte im Prä-post-Vergleich.

Bei fakultativer Teilnahme und einer hohen Dichte an (Pflicht)-LV ist die Rekrutierung von Teilnehmenden allerdings eine Herausforderung. In weiteren Untersuchungen sollte daher nun die Auswirkung auf die Versorgungspraxis erforscht werden.

Seit 2018 wird das Seminar in einer weiterentwickelten Form als Fortbildung für Angehörige der Gesundheitsberufe aus dem ärztlichen und nichtärztlichen Bereich angeboten. Nähere Informationen: http://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/documents/2018-01/Projektbeschreibung_Teaminterpret_RBS_deutsch.pdf

Literatur
1. Langer T et al. (2013) Sprachbarrieren in der Versorgung von Patienten mit Migrationshintergrund – Ergebnisse einer Pilotstudie. Zu den Erfahrungen von Kinder- und Jugendärzten. Klin Padiatr 225: 96 – 103
2. Karliner L et al. (2007) Do professional interpreters improve clinical care for patients with limited English proficiency? A systematic review of the literature. Health Serv Res 42: 727 – 754
3. Lindholm M, Hargraves JL, Ferguson WJ, Reed G (2012) Professional language interpretation and inpatient length of stay and readmission rates. J Gen Int Med 27 (10): 1294 – 1299
4. Aboumatar HJ, Chang BH, Al Danaf J et al. (2015) Promising Practices for Achieving Patient-centered Hospital Care: A National Study of High-performing US Hospitals. Med Care 53 (9): 758 – 767
5. Kompetenzzentrum Evaluation in der Medizin, Baden-Württemberg, Studiendekanat, Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland


Autoren

Franziska Krampe¹, Götz Fabry², Thorsten Langer¹ | ¹Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg; ²Bereich für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg


Korrespondenzadresse
Franziska Krampe
Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Freiburg
Mathildenstraße 1
79106 Freiburg

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (1) Seite 55-56