Große Sportereignisse, die fast eine ganze Nation bewegen, führen nach 9 bis 10 Monaten zu einem plötzlichen Anstieg der Geburtenrate. Und etlichen weiteren erstaunlichen Folgeeffekten.

Das war zumindest nach der Fußballweltmeisterschaft 2002 in Südkorea der Fall. Der gemeinsame Gastgeber mit Japan schaffte es bis ins Halbfinale, was das Land in Euphorie versetze mit einem überraschenden Folgeeffekt: Nach andauernd sinkenden Geburtenraten nahm diese 9 bis 10 Monate nach der WM wieder zu, ab 2004 aber dann wieder ab.

Wissenschaftler von der Universität in Seoul und von der Universität in Nashville haben nun den weiteren Weg dieser Kinder verfolgt (SSM Popul Health 2023; online 10. Dezember). Die beiden Forscher verglichen dabei die Schulleistungen von rund 4.000 Siebtklässlern, die zwischen März und Mai 2003 zur Welt kamen, mit Schülern aus anderen Geburtsmonaten oder -jahren davor und danach. Mit überaus verblüffenden Ergebnissen.

Da es sich offenbar häufig um ungeplante Kinder handelt, waren wohl die Eltern weniger gut auf die Situation vorbereitet, was sich in etwas schlechteren Schulleistungen (in fast allen Fächern, insbesondere in Englisch) bemerkbar machte. Eltern in Südkorea investieren in der Regel viel Zeit und in Nachhilfeunterricht, um ihren Kindern mit gutem Englisch bessere Karrierechancen zu eröffnen. Dies war bei den ungeplanten WM-Kindern aufgrund eines geringeren Erwartungsdrucks nach den Erkenntnissen der Forscher wohl weniger der Fall.
Dagegen schnitten die WM-Kinder in praktisch allen Scores zum gesundheitlichen Wohlbefinden besser ab. Durch den scheinbar geringeren Erwartungsdruck verlief auch die psychische Entwicklung der WM-Kinder komplikationsloser: Sie waren seltener depressiv, hegten weniger oft suizidale Absichten und wurden seltener von Selbstzweifeln geplagt.

Kommentar: Hoffen auf die „WM-Kinder“ 2014
Wenn die Erkenntnisse der Forscher aus Südkorea stimmen, kommt auf die Pädiater in den nächsten Jahren einiges zu. Denn dann dürfte das Scheitern der deutschen Nationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 (jeweils Aus in der Vorrunde) und bei den letzten beiden Europameisterschaften (Aus jeweils im Achtel- bzw. Viertelfinale) dazu führen, dass es um das gesundheitliche Wohlbefinden dieser EM- und WM-Kinder im Alter von 12 Jahren nicht so gut bestellt sein dürfte. Hoffnung schöpfen können wir aber erst einmal aus der WM 2014. In diesem Jahr waren wir Weltmeister und die im Zuge dieser Euphorie gezeugten Kinder werden bald Siebtklässler sein. Entspannung pur sollte also in dieser Zeit dann hierzulande angesagt sein. Ob an dieser Hypothese der südkoreanischen Forscher wirklich etwas dran ist, werden wir also in 2 bis 3 Jahren wissen. Es klingt utopisch, doch in diesen verrückten Zeiten scheint ja wirklich nichts unmöglich zu sein.


Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (5) Seite 320