Kurzsichtigkeit im Kindesalter kann neben einer Beeinträchtigung der Lebensqualität später auch ernste Augenerkrankungen wie Netzhautablösung und Makuladegeneration begünstigen. Doch wie kann die Fehlsichtigkeit im Kindesalter verhindert oder aufgehalten werden?

Einen aktualisierten Statusbericht darüber und einen Ausblick auf neue Forschungsergebnisse haben nun Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vorgenommen. Professor Dr. Wolf Lagrèze (DOG) empfiehlt, dass Kinder sich mindestens zwei Stunden täglich im Freien aufhalten. Denn das Tageslicht ist ein wichtiger Faktor, der Kinder vor Kurzsichtigkeit schützt. Die Kinder sollten auch beim Lesen den Mindestleseabstand von 30 Zentimetern zu Buch oder Tablet einhalten und jede halbe Stunde eine Pause einlegen und den Blick in die Ferne schweifen lassen, rät der Spezialist für Kinderaugenheilkunde. Der Kinderschreibtisch sollte nahe am Fenster stehen, damit der Arbeitsplatz möglichst hell beleuchtet ist. „Im Übrigen führt die viele Nahsicht auf digitale Medien nicht nur zu mehr Kurzsichtigkeit, sondern zieht zunehmend auch ernste psychologische Entwicklungsstörungen nach sich“, warnt Lagrèze.

Wenn beide Elternteile stark kurzsichtig sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich auch beim Kind eine starke Kurzsichtigkeit entwickelt. Möglicherweise könne hier eine Therapie mit Atropintropfen helfen, die inzwischen von Augenärzten im „Off lable use“ angeboten wird. Die Therapie kommt für Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren in Frage, bei denen die Kurzsichtigkeit pro Jahr mindestens um eine halbe Dioptrie zunimmt. Studien aus Asien belegen, dass die Tropfen die Zunahme der Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent abbremsen kann. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten jedoch nicht.

Kurzsichtigkeit dürfe nicht unterkorrigiert werden, denn die Annahme, dass schwächere Brillengläser das Augenwachstum abschwächen könne, sei falsch, warnt Lagrèze. Unterkorrektur würde sogar die Kurzsichtigkeit fördern. Bei fortschreitender Kurzsichtigkeit sollten die Kinder halbjährlich untersucht werden, damit die Brillengläser an die aktuellen Werte angepasst werden. Spezielle Multisegmentbrillen, die versprechen, das Augapfel-Wachstum und damit die Kurzsichtigkeit aufzuhalten, betrachtet der DOG-Experte mit Zurückhaltung. Hier bedürfe es noch weitere unabhängiger Studien.

Mit speziellen Kontaktlinsen, die bis zum vierzehnten Lebensjahr getragen werden sollten, kann die Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent gemindert werden. Wenn das Kind motiviert ist und Lust auf Kontaktlinsen und die damit verbundene Hygiene beachtet, kann man sie ab einem Alter von etwa zehn Jahren empfehlen. Eine Möglichkeit zur Minderung der Kurzsichtigkeit besteht nur im Kindes- und Jugendalter während der Wachstumsphase des Augapfels, die aber größtenteils mit siebzehn Jahren abgeschlossen ist.

Neue Erkenntnisse gibt es schließlich zu den Entstehungsmechanismen der Kurzsichtigkeit: die Netzhaut im kurzsichtigen Auge büßt die Fähigkeit ein, das übermäßige Wachstum des Augapfels zu erkennen. Bei einem normalsichtigen Auge sendet die Netzhaut ein Signal, um das zu starke Augen-Wachstum zu hemmen, berichtet Professor Dr. rer. nat. Frank Schaeffel vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde. In kurzsichtigen Augen ist das Signal zu schwach. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen und die die Kurzsichtigkeit möglicherweise auf diese Weise auszuschalten, sind weitere Forschungsarbeiten notwendig.

Quelle:
Text auf Basis einer Pressemitteilung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)


Katharina Maidhof-Schmid