Der aktuell steigende Bedarf der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen und komplexen chronischen Erkrankungen kann durch die aktuell bestehenden 162 Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) nicht abgedeckt werden. Doch diesem überfälligen Ausbau der SPZ-Landschaft hierzulande stehen vier Hindernisse im Weg, die nach Ansicht der DGSPJ dringend beseitigt werden müssen.

Zwar werden dort pro Jahr rund 350.000 Kinder gezielt behandelt und umfassend betreut, doch der Bedarf ist weit höher. Das belegen die weiter steigenden Wartezeiten (regelhaft über 3 Monate, in vielen Regionen 12 Monate und mehr). Erschwerend kommt hinzu, dass SPZ in manchen Regionen in Deutschland nur schwer erreichbar sind. So verfügen die Flächenstaaten Brandenburg lediglich über 4 SPZ, Mecklenburg-Vorpommern sogar nur über 3.

Vor dem Hintergrund dieser Problemlage ist auf bundespolitischer Ebene im Koalitionsvertrag 2021 – 2025 expressis verbis das Ziel des "[…] Ausbau[s] […] der Sozialpädiatrischen Zentren" formuliert worden. So wird im Kapitel IV (Respekt, Chancen und soziale Sicherheit) das Vorhaben formuliert, die Versorgung von schwerstbehinderten Kindern und damit verbunden den Ausbau der SPZ zu stärken. Im Detail heißt es: "Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe." Das schließt auch die SPZ mit ein.

Damit würde auch dem politischen Wunsch der Ampelkoalition entsprochen werden, die Ambulantisierung in der Medizin generell und in der Pädiatrie speziell voranzutreiben. Zum anderen würde damit auch die Anforderung erfüllt werden, dem in den SPZ anfallenden und weiter steigenden Behandlungsspektrum künftig besser gerecht werden zu können. Dieses breite Spektrum reicht von Entwicklungsverzögerungen und -störungen, Aufmerksamkeits- und Autismus-Spektrum-Störungen über genetische Syndrome und spastische Bewegungsstörungen bis hin zu Epilepsien, kinderneurologischen und anderen somatisch-chronischen Erkrankungen.

Um den eigentlich seit Langem überfälligen Ausbau der SPZ-Landschaft in Deutschland sicherzustellen, müssten die folgenden 4 Hindernisse politisch aufgegriffen und beseitigt werden:

Hindernis Nummer 1: Befristung

Die Zeiträume für die Ermächtigung für SPZ betragen im Durchschnitt 5,3 Jahre und sind viel zu kurz. Die Beantragung von längeren Zeiträumen (etwa eine 10-Jahres-Befristung wie für Dialyseermächtigungen) wird in über 70 % der Fälle abgelehnt. Das Bundessozialgericht hat schon 2011 festgestellt, dass die SPZ "aufgrund hoher Investitionskosten und größerer Mitarbeiterstäbe auf Planungssicherheit für längere Zeiträume angewiesen sind."

1. Erfordernis aus Sicht der DGSPJ: Verlängerung der Zulassungen regelhaft auf 10 Jahre

Hindernis Nummer 2: Altersbegrenzung

Auch für SPZ sollte die Behandlungsmöglichkeit für Jugendliche und junge Erwachsene mit Entwicklungsstörungen und komplexen chronischen Erkrankungen bis zum 21. Lebensjahr bestehen. Diese höhere Altersgrenze gilt schon lange für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wenn kein regionales Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderungen (MZEB) zur Verfügung steht, auch über das 21. Lebensjahr hinaus.

2. Erfordernis aus Sicht der DGSPJ: Erweiterung der Altersgrenze von 18 auf 21 Jahre

Hindernis Nummer 3: Vergütung nichtärztlicher Leistungen (§ 43a SGB V)

Diese nichtärztlichen Leistungen sind für SPZ – ganz im Gegensatz zur ambulanten psychiatrischen Behandlung – nicht eindeutig geregelt. Dies hat in den vergangenen Jahren zu erheblichen Rechtsunsicherheiten geführt, sodass sich in einigen Bundesländern die Träger der Eingliederungshilfe bereits aus der Finanzierung – in NRW die Landschaftsverbände seit 2021 sogar flächendeckend – zurückgezogen haben.

3. Erfordernis aus Sicht der DGSPJ: Einheitliche und nachhaltige Regelung der Finanzierung "nichtärztlicher sozialpädiatrischer Leistungen" auch für SPZ

Hindernis Nummer 4: Vergütung ambulanter Leistungen im SPZ

Da die Vergütung der SPZ seit Jahren nicht mehr auskömmlich ist, hat dies zu einer Versorgungslücke für besonders behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche, Kinder mit Entwicklungsstörungen und komplexen chronischen Erkrankungen geführt. Die Beschränkung der Vergütungsentwicklung durch § 71 SGB V führt insgesamt seit Jahren zu einer Kostenunterdeckung, die sich durch die Corona-Pandemie und die massiven Kostensteigerungen seit 2022 noch erheblich verstärkt hat. Nachdem die finanzielle Verbesserung der pädiatrischen vertragsärztlichen und der stationären pädiatrischen Versorgung bereits erfolgt ist, muss nun endlich auch der Versorgungsbereich finanziell gestärkt werden, der – wie die SPZ – zwischen der ambulanten und der stationären Betreuung angesiedelt ist. Wie bei der Krankenhausfinanzierung ist daher auch für die SPZ die Refinanzierung von Fixkosten bzw. Vorhaltekosten überfällig.

4. Erfordernis aus Sicht der DGSPJ: Bewilligung einer Soforthilfe für die SPZ rückwirkend für 2023 und 2024

Konkret: Wie im Krankenhausbereich sollte auch für die Finanzierung der SPZ in einem ersten Schritt eine Soforthilfe für die Jahre 2023 (auch rückwirkend) und 2024 in Höhe von jeweils 75 Millionen Euro gewährt werden. Diese Mittel sollen den Krankenkassen zur SPZ-Finanzierung über den Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt werden.


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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (2) Seite 146-148