Zahlen und Daten aus dem Heilmittelbericht 2018 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Die Erkenntnisse aus dem Heilmittelbericht 2018 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) klingen auf den ersten Blick paradox: So ist seit 2010 die Zahl der diagnostizierten Entwicklungsstörungen bei Kindern zwischen 5 und 7 Jahren zwar um 26,5 % angewachsen. Der Anteil der Kinder, die eine Logo- oder Ergotherapie verordnet bekamen, nahm im gleichen Zeitraum jedoch nur um 8,2 % zu. Die Folge: Heilmittelverordnungen bei Kindern und Jugendlichen sind seit 2015 – für viele Fachleute überraschend – sogar wieder leicht rückläufig.
Über 82 % der diagnostizierten Entwicklungsstörungen betreffen die Sprech- und Sprachentwicklung, Störungen der motorischen Entwicklung liegen mit gut 22 % auf dem zweiten Platz. „Die Schere zwischen der steigenden Diagnosehäufigkeit von Entwicklungsstörungen und der Verordnung von Heilmitteltherapien ist ein positives Zeichen dafür, dass Ärzte und speziell Pädiater sehr genau hinschauen, wie sich ein Kind rund um die Einschulung entwickelt und wann es therapeutische Begleitung braucht“, interpretiert Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, diese Entwicklung.
2008 wurde bei 27,5 % der 5- bis 7-jährigen Kinder eine Entwicklungsstörung diagnostiziert. Zehn Jahre später lag dieser Anteil schon bei 34,8 %. Die Entwicklung bei den Heilmittelverordnungen – vor allem Logopädie und Ergotherapie – ist diesem Trend allerdings nicht gefolgt. 2008 erhielten 15,6 % aller AOK-versicherten Kinder zwischen 5 und 7 Jahren eine Heilmitteltherapie aufgrund einer Entwicklungsstörung. 2017 lag dieser Wert bei 16,9 %, was einer Steigerung von nur 8,2 % entspricht. Dabei lag der Verordnungsanteil in den Jahren 2011 bis 2015 mit bis zu 17,9 % schon einmal deutlich höher.
Unklar ist, ob die gestiegene Rate an dokumentierten Entwicklungsstörungen tatsächlich auf einen sich verschlechternden Entwicklungsstand der Kinder zurückzuführen ist. Eher ist wohl zu vermuten, dass sich die Anforderungen von Schule und Elternhaus an die Kinder sowie das ärztliche Diagnoseverhalten und die Therapiemöglichkeiten im Zehnjahres-Zeitverlauf gewandelt haben.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (4) Seite 234