Der Score erlaubt eine sehr gute Vorhersage der neurologischen Entwicklung von Risikoneugeborenen mit einem nahezu überall verfügbaren technischen Verfahren, kommentiert Professor Markus Knuf - und erklärt die Hintergründe.

Eine niederländische Arbeitsgruppe um Linda de Vries hat einen MRT-Score entwickelt, um die neurologische Entwicklung von Neugeborenen nach perinataler Asphyxie und therapeutischer Hypothermiebehandlung einzuschätzen. Betroffene Kinder wurden innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt einer MRT-Untersuchung des Gehirnes unterzogen. Es wurde ein Score eingesetzt, der 3 Hirnregionen berücksichtigte:

  1. Tiefere Strukturen der grauen Substanz (Thalamus, Basalganglien, hinteres Knie der internen Kapsel, Hirnstamm, perirolandischer Cortex und Hippocampus). Insgesamt wurden für die Beurteilung der grauen Substanz 23 Punkte eingesetzt.
  2. Graue und weiße Substanz in der Kombination (Cortex, zerebrale weiße Substanz, Corpus callosum, umschriebene Läsionen der weißen Substanz und parenchymale Hämorrhagien). Insgesamt wurden für die Beurteilung der weißen Substanz 21 Punkte vergeben.
  3. Kleinhirn (Zerebellum und zerebelläre Hämorrhagien). 8 Punkte konnten erreicht werden.

0 Punkte wurden vergeben für keinerlei "Hirnverletzung", 1 Punkt bei fokalen Verletzungen mit einem Ausmaß von < 50 % des betrachteten Areals sowie 2 Punkte bei einer Hirnverletzung mit einem Ausmaß von ≥ 50 % des betrachteten Areals. Bei unilateralem Befall wurde 1 Punkt vergeben, bei bilateralem Befall 2 Punkte.

Darüber hinaus wurden Art und Ausmaß von intraventrikulären bzw. subduralen Blutungen oder eine Thrombose des Sinus venosus mitbeurteilt: 0 Punkte, wenn keine Blutung oder Thrombose zu sehen war, weitere Punktvergaben bis 3 Punkte.

Insgesamt waren unter Berücksichtigung der 4 Subscores maximal 55 Punkte zu vergeben.

Neben der MRT-Untersuchung wurde eine Protonenmagnetresonanzspektroskopie in den Basalganglien und im Thalamus (N-Acetyl-Aspartat, Laktat) durchgeführt. Die neurologische Entwicklung der Säuglinge bzw. Kleinkinder erfolgte mittels der Bayley Scales of Infant Development, third edition (BSITD-III). Darüber hinaus wurde der Wechsler-Test (WPPSI-III-NL) oder das Wechsler Intelligance Scale for children fourth edition (WISC-IV-SE) eingesetzt. Die motorische Entwicklung erfolgte nach der Gross Motor Function Klassifikation (GMFCS).

Es wurden insgesamt zwei Kohorten untersucht: Kohorte 1 (Niederlande): 2008 – 2014, Kohorte 2 (Schweden): 2007 – 2012. In die Studie wurden Neugeborene mit einem Gestationsalter von > 36 Schwangerschaftswochen eingeschlossen, wenn diese aufgrund einer perinatalen Asphyxie mit einer therapeutischen Hypothermie behandelt wurden. Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung waren in Kohorte 1 (n = 97) und Kohorte 2 (n = 76), dass der Subscore der grauen Substanz ein unabhängiger Prädiktor für ein schlechtes Outcome im Alter von 2 Jahren war (Kohorte 1: Odds ratio (OR) 1,6; 95-%-Vertrauensintervall (KI) 1,3 – 1,9, Kohorte 2: OR 1,4; 95-%-KI 1,2 – 1,6) und zum Zeitpunkt des Schulalters (Kohorte 1: OR 1,3; 95-%-KI 1,2 – 1,5; Kohorte 2: OR 1,3; 95-%-KI 1,1 – 1,6. Das Sub-Scoring der weißen Substanz und des Kleinhirns ließ sich nicht zur Vorhersage einer Entwicklungsstörung relevant nutzen.

Die Autoren schließen aus ihrem neuen Score, dass Veränderungen der grauen Substanz als unabhängiger Risikofaktor für die kindliche Entwicklung im Alter von 2 Jahren und bei Schuleintritt genutzt werden kann, wenn Neugeborene eine schwere perinatale Asphyxie mit konsekutiver therapeutischer Hypothermie erlitten haben.

Kommentar:
Wer kennt die Arbeitsgruppe von Frau de Vries nicht? Seit vielen Jahren ist Linda des Vries eine "Instanz", wenn es um die Beurteilung der neurologischen Entwicklung von Frühgeborenen und Risikoneugeborenen, zunächst mit der Ultraschalltechnik, dann über verschiedene Entwicklungs-Scores und nun unter Zuhilfenahme der Magnetresonanztechnik, geht. Die Arbeit ist verdienstvoll, erlaubt sie doch eine sehr gute Vorhersage der neurologischen Entwicklung von Risikoneugeborenen mit einem nahezu überall verfügbaren technischen Verfahren. Eine Limitation dürfte die Verfügbarkeit von Neuroradiologen sein, die sich mit einem solchen Score auseinandersetzen.

Literatur
Weeke LC et al. (2018) A novel magnetic resonance imaging score predicts neurodevelopmental outcome after perinatal asphyxia and therapeutic hypothermia. J Pediatr 192: 33 – 40


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (2) Seite 76