Haben Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oder einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein höheres Risiko, an einer nicht natürlichen Todesursache vorzeitig in der Kindheit oder in der Mitte des Lebens zu sterben?

Dieser Frage ist ein Forschungsteam in Spanien nachgegangen. Dr. Ferrán Catalá-López vom Institute of Health Carlos III am Department of Health Planning and Economics der National School of Public Health in Madrid hat mit Kollegen eine Meta-Analyse mit Daten aus 27 Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien durchgeführt, überwiegend aus dem nordamerikanischen und europäischen Raum. Durchsucht wurden die Literatur-Datenbanken MEDLINE, Embase, Scopus, Web of Science und PsycINFO bis April 2021, sowie die Referenzen in den dort gefundenen Artikeln. Rund 642.000 Probanden mit in der Kindheit diagnostiziertem ASS oder ADHS waren in der Studie beteiligt, das mediane Follow-up dauerte 16 Jahre (Bereich 3–33 Jahre). Vierzehn Studien zu ASS umfassten 206.162 Teilnehmer, während 12 Studien zu ADHS 433.761 Teilnehmer einschlossen. Die Ergebnisse der Meta-Analyse wurden nun in der Fachzeitschrift JAMA Pediatrics veröffentlicht.

Aus der Analyse geht hervor, dass für ASS-Patienten eine um den Faktor 2,37 erhöhte Gesamtmortalität besteht. Ein natürlicher Tod trat 3,80-mal so häufig auf, vor allem infolge von Erkrankungen des Kreislaufsystems und Neoplasmen. Bei unnatürlichen Todesursachen durch Unfallverletzungen, Vergiftungen, Totschlag und Suizide, war das Risiko war ums 2,50-Fache gesteigert.

Für ADHS Patienten war die Gesamtmortalität um den Faktor 2,13-fach erhöht. Natürliche Todesursachen waren im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nicht signifikant häufiger. Bei nicht natürlichen Todesursachen lag der Steigerungsfaktor jedoch auch um das 2,81-fache im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung.

Die Vermutung, dass die psychiatrischen Erkrankungen ASS und ADHS mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen könnten, wird in dieser Meta-Analyse bestätigt. Der Wissenschaftler weist aber darauf hin, dass die Ergebnisse aufgrund der Heterogenität des verwendeten Studienmaterials vorsichtig bewertet werden sollten, da über die kausalen Zusammenhänge nur spekuliert werden könne. Zwischen Entwicklungsstörungen, die in der Kindheit beginnen, und der frühen Sterblichkeit bestünden komplexe Zusammenhänge. Menschen mit ADHS oder Autismus haben häufig ein höheres Risiko für gleichzeitig bestehende psychische Störungen und neurologische Erkrankungen wie Epilepsie, Depressionen, Angstzustände, Substanzmissbrauch, Essstörungen oder Verhaltens- oder Tic-Störungen, die ebenfalls zu einer höhere Frühsterblichkeitsrate bei Kindern und Jugendlichen beitragen könnten. Auch emotionale und soziale Schwierigkeiten könnten eine Rolle spielen, da viele der Betroffenen zu den benachteiligten Gruppen der Gesellschaft zählen.


Referenzen

Katharina Maidhof-Schmid | Raimund Schmid