Eine Studie der Universität Bremen fasst wissenschaftlich zusammen, was gelebte Realität in deutschen Krankenhäusern ist. Krankenhäuser sind in erster Linie Wirtschaftsunternehmen und unterliegen ähnlichen Regeln wie jedes andere Unternehmen auch. Was bedeutet das für Ärzte und Patienten?
Es ist nahezu jeden Tag in verschiedenen Medien zu lesen: Im Gesundheitssystem, und insbesondere in Krankenhäusern, hat eine ausgeprägte "Ökonomisierung" Einzug gehalten. Krankenhäuser müssen in vielen Fällen, nicht zuletzt weil öffentliche Träger, Kommunen und Länder ihrer Verpflichtung zur Investitionssicherung unvollständig nachkommen, Überschüsse erwirtschaften, um weiter auf hohem Niveau arbeiten zu können.
Der Anstieg von Fallzahlen und des Behandlungsschweregrades (Case Mix Index, CMI) in der Vergangenheit könnte daran liegen, dass die Aufnahme, Behandlung und Entlassung von Patienten nicht allein von medizinischen Gegebenheiten, sondern auch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflusst wird.
Eine Studie der Universität Bremen untersuchte, ob Ärzte und Geschäftsführer eine solche Entwicklung im beruflichen Alltag auch beobachten. Es handelte sich um eine qualitative Studie, bei der Ärzte und Geschäftsführer interviewt wurden. Die Erhebung fand in zwei Wellen in der Zeit von 2013 bis 2016 statt. Es wurden 22 Pilotinterviews, 41 Leitfadeninterviews, drei Fokusgruppen sowie eine schriftliche Expertenbefragung und ein Werkstattgespräch durchgeführt. Nicht überraschend war, dass sich einige Einschätzungen der Ärzte oder Geschäftsführer zur Situation der Patientenversorgung deutlich unterschieden.
Geschäftsführer verwiesen auf die notwendige "Gewinnorientierung" und betonten, dass sie selbstverständlich keinen Einfluss auf ärztliche Entscheidungen nähmen, räumten jedoch ein, dass mittelbares Handeln des Arztes durch Rahmenbedingungen beeinflusst werden könne. Ärzte berichteten von dem wachsenden Druck, betriebswirtschaftliche Interessen bei patientenbezogenen Entscheidungen zu berücksichtigen, was zu Unter-, Über- oder Fehlversorgung der Patienten, aber auch zu ethischen Konflikten, Stresssituationen und Frustration führen kann.
Die Autoren schlussfolgern aus ihrer Studie, dass die Aussagen von Ärzten nahelegen, dass die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das betriebswirtschaftliche Management der Medizin zu Lasten der Patienten und Ärzte (aber auch der Pflegenden) gehen. Die Autoren sehen sehr wohl die Dilemmata von Ärzten und Geschäftsführern und plädieren für eine Enttabuisierung. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Steuerungskonzepte sind auf dieser Grundlage zu analysieren und ggf. zu ändern.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (6) Seite 376