Die Zahlen sind hochsignifikant: Im Zehnjahresvergleich seit 2011 stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Sprachstörungen insgesamt um 58 % – bei Mädchen gar um 59,4 %.

Das geht aus Daten der KKH (Kaufmännische Krankenkasse in Hannover) hervor, die mit 1,6 Millionen Versicherten zu einer der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen zählt. Zu Sprach- und Sprechstörungen bei Kindern und Jugendlichen zählen ein begrenztes Vokabular, Schwierigkeiten bei der Artikulation von Lauten oder der Satzbildung oder Grammatikschwächen.

Allein seit Ausbruch der Corona-Pandemie wuchs zwischen 2019 und 2021 die Zahl der betroffenen 6- bis 18-jährigen sprachbeeinträchtigten Kinder um rund 9 % an. Bei den 15- bis 18-jährigen Jugendlichen sogar um fast 21 %. Laut KKH zeigen die Daten, dass Sprache und Sprechen mehr älteren Kindern und Jugendlichen Probleme bereiten. Die Zahl der betroffenen 11- bis 14-Jährigen stieg demnach zwischen 2011 und 2021 um rund 107 %, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um 151 %! Meist würden Sprachentwicklungsstörungen allerdings von Kinder- und Jugendärzten laut KKH bereits in deutlich früherem Alter festgestellt. Angesichts der dramatischen Entwicklung kommt deren diagnostischer Kompetenz somit eine so große Bedeutung zu wie noch nie zuvor.

Kommentar:
Erschreckender könnte der Befund nicht sein, den die jüngsten Daten der KKH zu der neuen Flut an sprachgestörten Kindern ans Licht gebracht haben. Dabei sind die Ursachen für die Entwicklung so eindeutig wie vielfältig: Homeschooling und fehlende soziale Kontakte, die Treffen mit der gleichaltrigen Peergroup verhindert haben. Geschlossene Kitas, Schulen und Logopädie-Praxen haben dazu geführt, dass manche Sprachstörungen erst gar nicht aufgedeckt werden konnten. Und die in dieser Zeit übermäßige Nutzung von Smartphone, PC und Fernseher hat die Sprachentwicklung weiter beeinträchtigt. Da kommt in nächster Zeit viel Arbeit auf die Kinder- und Jugendärzte zu. Angesichts proppenvoller Praxen eine gewaltige Herausforderung, die die Pädiater angesichts der dramatischen Zahlen nur sehr schwer werden auffangen können.


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (6) Seite 422