Seit 2009 ist es lediglich 4 Präparaten mit speziellen pädiatrischen Dosierungen bei seltenen Erkrankungen gelungen, eine Zulassung zu erhalten. Woran es manchmal hängen kann, zeigt ein Beispiel.

Kind sein und an einer seltenen Erkrankung leiden? Das trifft die Jüngsten in unserer Gesellschaft gerade bei der medikamentösen Versorgung besonders.

Rund 8.000 Erkrankungen zählen zu den „Seltenen“, und 80 % werden bereits in den ersten Lebensjahren manifest. Als selten gilt eine Krankheit, wenn weniger als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind. Gerade hier sind Arzneimittelzulassungen die große Ausnahme. Kinderarzneimittel zu entwickeln lohnt nicht – Studien sind sehr teuer und aufwendig, der Markt ist zu klein, somit werden viele Kinder in Deutschland mit Medikamenten behandelt, für die keine Zulassung in dieser Altersgruppe (Off-Label-Use) vorliegt.

Ein Beispiel: Das Adrenogenitale Syndrom (AGS) gehört mit einer Häufigkeit von 1/13.000 zu den „Seltenen“. Die betroffenen Säuglinge brauchen eine dauerhafte Behandlung mit Hydrocortison, das nicht ausreichend gebildet wird. Hydrocortison ist ein Hormon, das auch als Arzneimittelwirkstoff ohne Altersbeschränkung zugelassen ist, allerdings in Tablettenform für Erwachsene. Nun ist die Dosis für einen Säugling viel geringer und schon gar nicht in Tablettenform zu verabreichen. Eine neue Zubereitung in Form eines Saftes mit geringer Konzentration wurde nun entwickelt und im Rahmen eines PUMA-Verfahrens zugelassen (Paediatric-Use Marketing Authorisation). Obwohl der Wirkstoff bekannt ist und lediglich eine kindgerechte Darreichungsform entwickelt wurde, wurde dieser offensichtliche Zusatznutzen nicht anerkannt!

„Problematisch bei diesem Prüfprozess war“, so DGKJ-Generalsekretär Burkhard Rodeck, „dass hier nur der Wirkstoff auf seinen Zusatznutzen geprüft wurde. Der enorme Vorteil für Kinder wäre hier aber aus der Form entstanden, den das neue Granulat gegenüber einer Fertigtablette bietet, durch eine sehr präzise Dosierung für jede Altersstufe und durch das leichtere Einnehmen. Dieser Nutzen einer sehr viel kindgerechteren Form gegenüber der großen Tablette, die evtl. noch geteilt und zerbröselt werden muss, wurde nicht berücksichtigt.“

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) überging damit den pädiatrischen Bedarf vollends und versagte dem dringend benötigten Medikament die Anerkennung seines Zusatznutzens – und damit der Erstattung durch die Krankenkassen. So verwundert es dann auch nicht, dass es seit 2009 lediglich 4 Präparaten mit speziellen pädiatrischen Dosierungen bei seltenen Erkrankungen gelungen ist, eine Zulassung zu erhalten.



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (4) Seite 234