Am 25. Mai 2019 hat anlässlich des 100jährigen Jubiläums eine Festveranstaltung der Fachrichtung Physiotherapie der Carus Akademie und dem Physiotherapie-Zentrum am Universitätsklinikum "Carl Gustav Carus" der TU Dresden stattgefunden. Ein Rück- und Ausblick.

Die Ausbildung in der Physiotherapie hat in Dresden eine lange Geschichte. Bereits 1917 beschloss der Königlich-Sächsische Landtag ein Gesetz, welches das staatliche Prüfungsfach Krankengymnastik und Massage in die schon bestehende Krankenpflegeausbildung einführte und des Weiteren die Gründung der "Staatsanstalt für Krankengymnastik und Massage" in Dresden veranlasste. Nach Kriegsende und Revolution konnte sie am 2. Juni 1919 eröffnet werden.

In der lebendigen kreativen Atmosphäre des "Naturheilkundigen Dresden" (Lienert, M. 2002) gelang es Prof. Dr. med. Willem Ernst Smitt (1862 – 1922) die von ihm selbst in Stockholm durchlaufene Ausbildung in "Schwedischer Gymnastik" und deren Weiterentwicklung in Dresden offiziell zu etablieren. Die erste Oberin hieß Anna Treusch von Buttlar, die Lehrerinnen kamen aus Schweden oder gehörten zu den von Smitt seit 1907 ausgebildeten etwa 300 Gymnastikschwestern. Er lebte und beschrieb die unmittelbare Zusammenarbeit von Ärzten und Krankengymnastinnen 1915 in seinem ersten Buch "Behandlung von Verwundeten mit manueller Krankengymnastik und Massage - für Ärzte und Bewegungsgeber".

Überregional hoch anerkannt setzte er sich dann als erster Direktor der Staatsanstalt bis zu seinem Tod 1922 für diese Zusammenarbeit ein! Der Staatsanstalt, ab 1922 im Taschenbergpalais gelegen, war eine Poliklinik angeschlossen. Hervorzuheben ist die vertragliche Vereinbarung mit der Stadt Dresden zur Übernahme der bis 1929 erfolgreich durchgeführten "Orthopädischen Gymnastik" und des "Schulhilfsturnens" in den Schulen der Stadt.

1922 übernahm nach Dr. Smitts frühem Tod Sanitätsrat Dr. Löwe die Leitung und führte die begonnene Entwicklung konsequent weiter.

Schon 1952 begannen die ersten Qualifizierungslehrgänge für Masseure

Nach seiner Ablösung 1936 wurde die Staatsanstalt im Sinne des NS-Regimes gleichgeschaltet und 1941 vom sächsischen Minister des Inneren nach Leipzig an die von Prof. Franz Schede geleitete Universitäts- und Poliklinik für Orthopädische Chirurgie verlagert. Frau Irmgard Kolde, die aus München beorderte neue Leiterin, lehrte die geforderte "Deutsche Krankengymnastik".

Nach der Zerstörung Dresdens und dem Ende des II. Weltkrieges kam das Gesundheitswesen langsam wieder in Gang. Die Dresdnerin Anna Maria Herberg, Schülerin der Staatsanstalt von 1930 bis 1932, erhielt bereits am 23. Juli 1945 die erneute Zulassung und eröffnete ihre Praxis jetzt in ihrer eigenen Wohnung. Sie engagierte sich von Anfang an für die Berufsvertretung innerhalb des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), in dem Krankengymnasten, Masseure und medizinische Bademeister zusammengefasst waren. Sie beteiligte sich als Dozentin für Bindegewebsmassage an den seit 1952 angebotenen Qualifizierungslehrgängen für Masseure unter Leitung des Masseurs Herbert Reichelt. Diese fanden neben der Pflegeausbildung in den Räumen der Medizinischen Fachschule statt.

Daraus entwickelte sich der lang gehegte Wunsch, wieder eine grundständige Ausbildung der Krankengymnastik in Dresden aufzubauen. Unterstützt von der medizinischen Bademeisterin Frau Erna Kühne vertraten sie zu Dritt den Antrag auf Einrichtung einer Abteilung Krankengymnastik an der bestehenden Medizinischen Fachschule, dem schließlich vom Ministerium für Gesundheitswesen der DDR zugestimmt wurde. Voraussetzung war der Wiederaufbau der Orthopädischen Klinik, geleitet von Prof. Büschelberger.

Am 01. Februar 1954 begann der Unterricht. Der erste Leiter war Herr Reichelt.

Erst später gab Frau Herberg ihre eigene Praxis ab und wurde Fachlehrerin an der Schule.

Im gleichen Jahr 1954 wurde die Medizinische Akademie "Carl Gustav Carus" gegründet und die Medizinische Fachschule dieser angegliedert.

1969 folgte der Lehrstuhl für Innere Medizin und Physiotherapie

Der Lehrstuhl für Innere Medizin und Physiotherapie wurde 1969 eingerichtet, geleitet von Prof. Dr. Herbert Edel bis 1979, der fortan die Entwicklung der Physiotherapie in Dresden und darüber hinaus prägte. Ihm stand Katharina Knauth, Leiterin der Physiotherapieabteilung der Poliklinik, zur Seite. Es entstanden gemeinsame Werke zur Physiotherapie.

Ab 1964 übernahm die DDR den international gebräuchlichen Berufsnamen Physiotherapeut/in, während in der Bundesrepublik bis 1990 der Begriff Krankengymnast/in erhalten blieb.

In der Zeit der DDR wurde in den Polikliniken und Dispensaire-Sprechstunden von vornherein eine die Berufe übergreifende Arbeitsweise gepflegt und an den Fachschulen, wie in Leipzig und Dresden gelehrt, verbunden mit den Namen Brigitte Zeibig, Hella Haase, Sabine Langhans und vielen anderen.

Die enge Zusammenarbeit von Ärzten, insbesondere Kinderärzten und Physiotherapeuten bildet die unverzichtbare Grundlage des Berufes, wie vor 100 Jahren so auch noch heute.

Akademisierung und Prävention in den Fokus rücken

Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde vor allem die Entwicklung selbständiger Physiotherapiepraxen gefördert aber auch der Weg zur Akademisierung der Physiotherapie geöffnet, den es weiter zu verfolgen gilt, weil es wichtig ist, die wissenschaftlichen Grundlagen der Wirksamkeit der Physiotherapie heraus zu arbeiten. Es bedarf einer qualitativ hochwertigen international vergleichbaren Ausbildung, die für Berufsinteressenten attraktiv die praktische Anwendung und interdisziplinäre Zusammenarbeit verbindet. Der über ein Jahrhundert gewachsene Schatz an Erfahrung in der Krankengymnastik könnte auch wieder, wie seit 1919, stärker für die vorbeugende Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens im Kindes-, Arbeits- und höheren Lebensalter genutzt werden.

Der gemeinsame Rück- und Ausblick motiviert dazu, die Bestrebungen und Ziele, angestoßen schon vor so vielen Jahren, weiter zu verfolgen und zu entwickeln.

Am 25. Mai 2019 hat anlässlich des 100jährigen Jubiläums eine Festveranstaltung der Fachrichtung Physiotherapie der Carus Akademie und dem Physiotherapie-Zentrum am Universitätsklinikum "Carl Gustav Carus" der Technischen Universität Dresden stattgefunden.

Neben offiziellen Würdenträgern waren besonders frühere Schülerinnen, Lehrkräfte und andere Interessierte sowie engagierte Vertreter aus der Physiotherapie eingeladen. Gern können Sie sich über die Internetseite www.100jahrephysio.de informieren.


Literatur:
1. Maria Lienert (2002) Naturheilkundliches Dresden, Elbhang-Kurier-Verlag Dresden


Korrespondenzadresse
Dr. Klaus-Peter Herberg
Hainbuchenstraße 39
34128 Kassel

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (4) Seite 287-288