Eine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) tritt in industrialisierten Ländern bei etwa 1,5 – 2 je 1.000 Geburten auf. Was das bedeuten kann und welche Behandlungsstrategien es gibt, fasst eine aktuelle Arbeit zusammen.

Das sich entwickelnde Gehirn weist ein vom Gestationsalter abhängiges Verletzungsmuster auf, wenn es zu einem hypoxisch-ischämischen Ereignis kommt. Während des 3. Trimesters stehen Läsionen der weißen Substanz im Vordergrund, wohingegen bei Neugeborenen zum Termin Veränderungen der grauen Substanz vorrangig betroffen sind. "Hirnschäden" bei Frühgeborenen und hypoxisch-ischämische Enzephalopathien (HIE) sind weltweit für etwa 50 % der neonatalen Mortalität verantwortlich.

Eine HIE tritt in industrialisierten Ländern bei etwa 1,5 – 2 je 1.000 Geburten auf. Bis zu 26 je 1.000 Lebendgeburten sind in Ländern mit reduzierten Ressourcen zu beklagen. Das Outcome nach einer HIE ist schwierig: Ohne Behandlung sterben 20 – 50 % der Neugeborenen innerhalb von 4 Wochen. Die überlebenden Kinder weisen schwerwiegende Entwicklungsdefizite auf, oftmals eine Zerebralparese oder therapierefraktäre Epilepsie. Es ist daher nur logisch, dass die Suche nach wirksamen neuroprotektiven Strategien nach einem hypoxisch-ischämischen Ereignis in der Neonatalperiode anhält.

In einer hervorragenden Übersichtsarbeit stellen Parikh und Juul wesentliche klinische Merkmale, bildgebende Verfahren und Biomarker zur Einordnung einer neonatalen Hypoxie vor. State of the art in der Behandlung ist die therapeutische Hypothermie bei reifen Neugeborenen mit moderat bis schwerer hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie. Es werden 6 ausgedehnte, randomisiert-kontrollierte Studien besprochen. Neben der Datenlage zur therapeutischen Hypothermie werden klinische Studien zum Einsatz von Melatonin, Xenon, die Stammzelltherapie, Erythropoetin sowie der Einsatz von pharmakologischen Behandlungen in der präklinischen Phase (N-Acetyl-L-Cystein; NAC), Lithium und der Einsatz von Polyphenolen ausführlich dargestellt. In der Summe kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die therapeutische Hypothermie gegenwärtig die einzige wissenschaftlich geprüfte Intervention bei HIE ist. Auch mit dieser Behandlung sterben bis zu 50 % der Neugeborenen mit einer schweren HIE. Ideale neuroprotektive Behandlungen sollten sicher, einfach applizierbar und kosteneffektiv sein. Die Daten zur neuroprotektiven Potenz von Erythropoetin sind bislang nicht sehr vielversprechend. Phase-3-Studien hierzu befinden sich in der Durchführung.

Kommentar:
Die Übersichtsarbeit Neuroprotective strategies in neonatal brain injury ist eine hervorragende Zusammenfassung des gegenwärtigen Verständnisses zur hypoxisch-ischämische Enzephalopathien (HIE) und etwaiger Behandlungsstrategien. Trotz vieler Ansätze ist bislang allein die Hypothermiebehandlung ein gesichertes Verfahren zur günstigen Beeinflussung einer schweren HIE.

Literatur
Parikh P, Juul S (2017) Neuroprotektive strategies in neonatal brain injury. J Ped 192: 22 – 32


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (1) Seite 10