Eine modellhafte und vorbildliche Erprobung einer Gesundheitsuntersuchung in deutschen Grundschulen. Was hat es mit "GrundGesund" genau auf sich, und welche Ergebnisse und Empfehlungen gibt es?

Das hat es bisher in dieser Weise noch nicht gegeben: die modellhafte Erprobung einer Gesundheitsuntersuchung in Grundschulen in Deutschland. Ziel dabei war es, einen komplexen Ansatz zur Förderung der Gesundheit von Kindern im Grundschulalter sowie der schulischen Gesundheitsförderung zu entwickeln und vor allem auch auf seine Umsetzbarkeit hin zu prüfen.

Das Projekt ist vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiiert und gefördert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) koordiniert worden. Tatsächlich umgesetzt worden ist das Modellvorhaben "GrundGesund" von der Universität Osnabrück unter der Leitung von Frau Prof. Birgit Babitsch im Zeitraum vom 01. November 2013 bis 31. Oktober 2016, und zwar gleich in 3 Modellregionen, dem Kreis Recklinghausen, der Stadt Flensburg und der Stadt Kassel in engem Austausch mit den Partnern aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Das Modellvorhaben GrundGesund, das auch wissenschaftlich evaluiert worden ist, umfasst 3 Komponenten:
  1. die Entwicklung und Durchführung einer schulärztlichen Untersuchung von Drittklässlern,
  2. die Entwicklung und Erstellung von Schulgesundheitsberichten und
  3. die Ableitung und Durchführung von Aktivitäten der Gesundheitsförderung in den teilnehmenden Schulen.

Durchführung und Methodik

Dem Modellvorhaben ging eine Machbarkeitsstudie (BZgA 2013) voraus, aus der wesentliche Anforderungen für die Umsetzung hervorgingen. Wichtige Eckpunkte waren: ein Angebot für alle Kinder zu schaffen, die Gesundheit des einzelnen Kindes sowie der Schülerschaft zu fördern, die Schulen auf ihrem Weg dahin zu unterstützen, Gesundheit in ihrer Lebenswelt zu verankern und die Zusammenarbeit zwischen dem Bildungs- und Gesundheitssystem zu verstärken. Auf Basis einer begleitenden Prozess- und Ergebnisevaluation wurde überprüft, ob die Durchführung des Modellvorhabens möglich ist und die angestrebten Ziele erreicht wurden. Bewertet wurde unter anderem, wie gut die Umsetzung der einzelnen Komponenten gelungen ist, wie gut das Angebot von den Kindern, Eltern und Schulen angenommen wurde und inwieweit die Zusammenarbeit und Vernetzung in der Modellregion gestärkt werden konnte.

Gender-Mainstreaming

Im Modellvorhaben wurde in allen Projektschritten auf Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen bzw. zwischen Frauen und Männer eingegangen. Darüber hinaus sind der Bildungsstatus und der Migrationshintergrund in der Familie berücksichtigt worden. Dies erfolgte bei der Konzeption und Ausgestaltung der einzelnen Komponenten von GrundGesund, bei der Umsetzung und Durchführung sowie bei der Auswertung der Ergebnisse. Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sind dann diskutiert und bei der Umsetzung insbesondere der Aktivitäten der Gesundheitsförderung einbezogen worden. Nur in Ausnahmefällen wurde ein spezifisches Angebot für Mädchen und Jungen geplant und umgesetzt. Zudem wurde bei der Zusammensetzung des Beirates auf eine Gleichverteilung von Frauen und Männern geachtet.

Ergebnisse, Schlussfolgerungen

40 Grundschulen in den 3 Regionen beteiligten sich am Modellvorhaben, 1.303 Kinder der 3. Klassen nahmen das Angebot einer schulärztlichen Untersuchung an (Response: 60,8 %). Jedes Kind bekam im Anschluss an die schulärztliche Untersuchung eine Rückmeldung zur Gesundheit und bei Vorliegen von gesundheitlichen Risiken konkrete Handlungsempfehlungen. Die Schulen erhielten über ihren Schulgesundheitsbericht einen Einblick in die Gesundheit ihrer Schülerschaft und dabei bestehende gesundheitliche Ressourcen und Risiken bei den Kindern und in der Lebenswelt.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der schulärztlichen Untersuchung, die eine Elternbefragung mit einschloss, dass die Mehrzahl der Kinder über eine gute Gesundheit verfügt. Deutlich wurde aber auch, dass bei einem Teil der Kinder bereits relevante gesundheitliche Risiken und Probleme bestehen. Diese waren den Eltern nicht immer bekannt und konnten durch das Angebot entdeckt werden. Die Daten weisen darüber hinaus auf zum Teil sehr ausgeprägte soziale Unterschiede in der Gesundheit der Kinder hin.

Die Schulgesundheitsberichte stellten eine zentrale Grundlage für die Aktivitäten der Gesundheitsförderung dar. Für diesen Prozess an den Schulen wurden Steuergruppen gebildet, in denen die Teilnehmenden zunächst Prioritäten zur Förderung der Gesundheit der Schüler festlegten und daran anschließend geeignete gesundheitsförderliche Aktivitäten ableiten und in konkrete Projektideen überführen konnten. Hierdurch konnte nicht nur eine hohe Passung zu den gesundheitlichen Bedarfen der Schüler, sondern auch zu den Erfahrungen mit bisherigen Projekten an der Schule und den jeweiligen Gegebenheiten und Möglichkeiten erzielt werden. Insgesamt führten 33 Schulen Aktivitäten zur Gesundheitsförderung durch, deren Schwerpunkte im Bereich Ernährung, Bewegung und psychosoziale Gesundheit lagen. Alle Aktivitäten knüpften dabei eng an die Voraussetzungen und Erfahrungen der einzelnen Schule an und waren niedrigschwellig sowie auf Verstetigung angelegt. Die Ergebnisse weisen auf eine hohe Zustimmung der Beteiligten zum Konzept und zum Teil auch der nachhaltigen Umsetzung des Modellvorhabens hin.

Für die Übertragung des Modellvorhabens in die Praxis liegen damit die erforderlichen Grundlagen vor, da sowohl die Materialien als auch die Prozessabläufe entwickelt und erprobt wurden. Gleichwohl lassen sich konkrete Voraussetzungen für eine gelingende Implementierung benennen, die neben Ressourcen auch strukturelle Rahmenbedingungen beinhalten. Im Vordergrund steht dabei eine individuelle, niedrigschwellige und nachhaltige Unterstützung der Schulen bei der Entwicklung hin zu einer guten, gesunden und inklusiven Schule. Als sehr positiv erwies sich hierfür in GrundGesund:
  • die Einrichtung einer unterstützenden Koordinationsstelle und
  • eine enge und strukturelle verankerte Zusammenarbeit der Akteure aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Umsetzung und Empfehlungen

Aus den Erkenntnissen des Modellvorhabens lassen sich konkrete Empfehlungen für die Umsetzung durch das BMG ableiten, die zur Förderung der Gesundheit von Kindern und zur Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung in der Lebenswelt Schule beitragen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse geben zudem wichtige Hinweise für die Umsetzung des Präventionsgesetzes in der Lebenswelt Schule.

GrundGesund hat durch seinen integrativen Ansatz das Potenzial, zum gesunden Aufwachsen von Kindern beizutragen und die Entwicklung von Schulen zu einer gesunden Lebenswelt zu befördern. Dies gelingt unter anderem dadurch, dass unterschiedliche Präventionsansätze mit einer individuellen und kollektiven Orientierung vereint werden, und dass sich GrundGesund explizit an den Prozessen der Schulentwicklung der einzelnen Schule orientiert und somit die Ausgestaltung und Implementierung der Gesundheitsförderung in einem individuellen und gemeinsamen Prozess erfolgt. Auch die Grundbedingung einer engen Zusammenarbeit der relevanten Akteure im Bildungs- und Gesundheitsbereich hat sich für die Ausgestaltung und Durchführung aller Komponenten der Gesundheitsuntersuchung als wertvoll erwiesen.

Für die Umsetzung des Modellvorhabens ergeben sich primär Anforderungen auf kommunaler und Landesebene. Die Länder und Kommunen können bei der Einführung einer Gesundheitsuntersuchung bzw. der Integration von Komponenten der Gesundheitsuntersuchung durch flankierende Maßnahmen auf Bundesebene unterstützt werden. Des Weiteren kann die nachhaltige Implementierung einer gesunden Lebenswelt Schule durch einen intensiven Fachdiskurs (z. B. über Bedingungen fürs Gelingen, Qualitätskriterien) und die Entwicklung und Bereitstellung von übergreifenden Angeboten (z. B. zur Netzwerkbildung in der Lebenswelt Schule sowie zwischen den Lebenswelten) auf Bundesebene forciert werden.


Weiterführende Literatur
1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2013) Abschlussbericht der Machbarkeitsstudie. Köln
2. Babitsch B, Cruel E, Maslon E, Töppich J (2015) Gesundheitsförderung im Grundschulalter – Das Modellvorhaben "Gesundheitsuntersuchungen in Grundschulen" ("GrundGesund"). In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg) Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Konzepte, Strategien und Interventionsansätze der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Sonderband 01: 207 – 222


Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Birgit Babitsch
Universität Osnabrück
FB 8 – Humanwissenschaften
New Public Health
Barbarastraße 22 c – Raum 93/123
49076 Osnabrück
Tel.: 05 41/9 69 22 66

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (6) Seite 402-405