Ist es der richtige Weg, Kindern schon recht früh mit alkoholischen Getränken in kleinen Mengen vertraut zu machen, um damit einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu erlernen? Manche glauben das. Dies sei aber grundlegend falsch, warnen Experten.

Hierzulande dürfen Jugendliche in der Öffentlichkeit ab 14 Jahren Alkohol konsumieren, wenn sie in Begleitung eines Erziehungsberechtigten sind. Zu Hause kann dies durchaus auch früher erfolgen. In Großbritannien ist es sogar gesetzlich möglich, dass Kinder ab fünf Jahren in den eigenen vier Wänden Alkohol zu sich nehmen. „Viel zu früh“, meint Dr. Aric Sigman, Psychologe und unabhängiger Dozent für Gesundheitserziehung im englischen Brighton.

Er setzt sich daher länderübergreifend dafür ein, um Kinder- und Jugendärzte stärker dazu zu sensibilisieren, auf die Folgewirkungen eines zu frühzeitigen Alkoholkonsums – wenn auch in kleinem Ausmaß – aufmerksam zu machen.

Denn seinen Erfahrungen nach erhöht sich dann das Risiko der Kinder und Jugendlichen, später im Leben selbst größere Alkoholprobleme zu bekommen. Deshalb sollte das Einstiegsalter des ersten Alkoholkonsums so lange wie möglich hinausgezögert werden. Denn aus der Forschung wisse man, dass es ansonsten sehr früh zu einer Sensibilisierung der neurologischen Schaltkreise der Sucht kommen könne, bei der entsprechende abhängigkeitsfördernde Neuroadaptionen in Gehirnregionen ausgelöst werden. Dies führe dann dazu, dass Alkoholgewohnheiten und Alkoholmissbrauch – auch durch das Vorleben der Eltern – leichter über Generationen hinweg weitergereicht würden Eine groß angelegte britische Studie kommt gar zu dem Schluss, dass selbst geringe Mengen an täglichem Alkohol mit strukturellen pathologischen Veränderungen in wichtigen Organsystemen (Gehirn, Herz und Leber) verbunden sind. Sigman: „Hierfür gibt es allerdings keinen sicheren Schwellenwert.“

Sein Appell an die Pädiatrie ist glasklar: Kinderärztinnen und Kinderärzte müssten sich über ihre Berufsverbände und wissenschaftliche Gesellschaften hier deutlicher als bislang positionieren. Nur dann könne man es schaffen, dass der frühe Zugang zu Alkohol nicht mehr nur ein kulturell-gesellschaftliches ist, sondern vielmehr zu einem medizinisch-pädiatrischen Thema wird, unterstreicht der Psychologe. Und sein Credo hierfür lautet: Kein Alkohol unter 18 Jahren!


Raimund Schmid