Wie kann man den Prozess der Diagnosen-Weitergabe an die Kostenträger einheitlicher und für die Pädiater transparenter gestalten? Die Empfehlungen im Überblick.

Der QZ Strukturen des Zentralen Qualitäts-Arbeitskreises (ZQAK) der BAG-SPZ hat sich in seinen Sitzungen 2019 und 2021 mit den gesetzlichen Grundlagen der Weitergabe von in SPZ gestellten Diagnosen beschäftigt, die an die gesetzliche Krankenversicherung gemeldet werden. Hierzu wurden die gesetzlichen Grundlagen in Verbindung mit praktischen Erfahrungen geprüft und Empfehlungen zur Dokumentation und Weitergabe von Diagnosen an die GKV erarbeitet.

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse aufgeführt, die dazu dienen, den Prozess der Diagnosen-Weitergabe an die Kostenträger einheitlicher und für die Pädiater transparenter zu gestalten.

Der § 295 SGB V verlangt die Verschlüsselung von Diagnosen auf Abrechnungsunterlagen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie bei der Krankenhausbehandlung (§ 301 SGB V) und im Rahmen der Heilmittelverordnung nach § 32 SGB V. Nicht gesetzlich vorgeschrieben sind Verschlüsselungen von Diagnosen auf Arztbriefen, Überweisungen, Krankenhauseinweisungen oder in der Krankenakte. Da bei der ICD-Code-Verschlüsselung immer Informationen verdichtet werden und Einzelheiten auch verloren gehen können, sollte bei solchen Unterlagen stets auch der Text, der den ICD-Code erläutert, verwendet werden. Aus Kollegialität sollte zusätzlich zur Textformulierung der Diagnosen der ICD-Code angegeben werden.

Kodierungspflicht gilt auch für SPZ

Mit dem am 11. 05. 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden gemäß § 295, Abs. 4 Satz 3 und 5, SGB V alle Ärztinnen und Ärzte, die an der ambulanten ärztlichen Versorgung zu Lasten der GKV teilnehmen, gleichermaßen nach festgelegten Vorgaben zur Kodierung ambulanter Behandlungsdiagnosen verpflichtet. Dies gilt auch für die nach § 119 SGB V ermächtigten SPZ.

Einheitlich kodierte Diagnosen sorgen für Transparenz, sind die Grundlage der Abrechnung mit den Krankenkassen und sorgen für eine Harmonisierung der Kodierung bei zunehmend sektorübergreifender Vernetzung. Sie bilden auch die Grundlage für eine valide Messung der Veränderung der Morbiditätsstruktur und wirken sich somit im Rahmen der morbiditätsbedingten Veränderungsrate auf die Gesamtvergütung sowie auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) der Krankenkasse aus.

Die Kodiervorgaben sind somit verbindlich anzuwenden, unabhängig davon, ob die Ärztin/der Arzt im SPZ selbst oder eine von ihm beauftragte Person die Kodierung übernimmt. Auf den Abrechnungsunterlagen nach § 295 SGB V müssen sich die SPZ auf die Diagnosen beschränken, derentwegen die Patientin/der Patient im entsprechenden Quartal behandelt wurde und für die sie Leistungen abrechnen.

Behandlungsdiagnosen

Für die Übermittelung der Behandlungsdiagnosen gilt:
  • sie können anzahlmäßig unbegrenzt aufgeführt werden,
  • die Reihenfolge, in der Behandlungsdiagnosen aufgeführt werden, ist beliebig,
  • Behandlungsdiagnosen sind so spezifisch wie möglich (endständig) zu kodieren, hierzu zählen obligatorische Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit (V, G, A, Z),
  • fakultativ sind demgegenüber Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation (R, L, B).

Dauerdiagnosen

Dauerdiagnosen können als EDV-technische Unterstützung in den Praxisverwaltungssystemen (PVS) etabliert sein, um Behandlungsdiagnosen aus einem Vorquartal in ein Folgequartal zu übernehmen. Dabei sind aber folgende Vorgaben zu beachten:
  • Dauerdiagnosen sind in jedem Quartal vor der Übernahme in die Abrechnungsunterlagen auf ihre Behandlungsrelevanz zu überprüfen.
  • Dabei sind ggf. die Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit zu aktualisieren.
  • Dauerdiagnosen und chronische Zustände, die in dem Abrechnungsquartal keine Leistungen nach sich gezogen haben, dürfen nicht verschlüsselt nach ICD-10-Code auf den Abrechnungsunterlagen an den Kostenträger übermittelt werden.
  • Ätiologische Hauptdiagnosen, wie z. B. Syndrome oder Entwicklungsstörungen und Intelligenzminderungen, sollten in jedem Quartal als Behandlungsdiagnosen mit angegeben werden, da sie bei jeder Behandlung eine Rolle spielen und stets berücksichtigt werden müssen.

Vorgehen bei nicht spezifischen Diagnosen

Das Kapitel XVIII der ICD-10-Codes (Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind: R00-R99) umfasst Symptome, abnorme Ergebnisse von klinischen und sonstigen Untersuchungen sowie ungenau bezeichnete Zustände, für die an anderer Stelle keine klassifizierbare Diagnose vorliegt. Diese ICD-Codes dürfen nur verwendet werden, wenn – auch nach entsprechender Diagnostik oder in Verbindung mit einem Zusatzkennzeichen – keine spezifischere Diagnose gestellt werden kann. Außerdem dürfen diese ICD-Codes verwendet werden, wenn am Quartalsende – z. B. beim Erstkontakt – die Diagnostik noch nicht abgeschlossen ist (Information DIMDI). Andererseits ist es aber auch möglich, spezifischere Diagnosen des ICD-10 als Verdachtsdiagnosen zu kodieren.

Gesetzliche Grundlagen:
  1. § 295, Abs. 4 SGB V
  2. Kodiervorgaben nach § 295, Abs. 4 SGB V der KBV im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) e. V. sowie dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information nach § 295, Abs. 4 Satz 3 SGB V
  3. § 301 SGB V: 2. Fortschreibung gemäß § 7 Abs. 4 der Vereinbarung nach § 120 Abs. 3, SGB V über Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die Einrichtungen nach dem §§ 117 – 119 SGB V zum 30. 04. 2020 (in Verbindung mit der 11. Fortschreibung der Vereinbarung nach § 301 SGB V) zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG

Anamnestische Diagnosen

Anamnestische Diagnosen können in der Krankenakte hinterlegt werden. Bewirken sie jedoch im abzurechnenden Quartal keine diagnostische und/oder therapeutische Leistung, dann sind sie in den Abrechnungsdaten nicht zu übermitteln. Sollten sie behandlungsrelevant werden, unterliegt die Kodierung ebenfalls den Regelungen der ICD-10-GM unter Berücksichtigung dieser Kodiervorgaben (gesetzliche Grundlage: (2) – Kodiervorgaben).

Zusatzkennzeichen

G – gesicherte Diagnose (auch anzugeben, wenn A, V oder Z nicht zutreffen)

Das Zusatzkennzeichen "G" für gesicherte Diagnosen ist anzugeben, wenn Leistungen (Diagnostik, Therapie) erbracht wurden. Eine auf eine Diagnose spezifisch eingeleitete Therapie hat automatisch das Zusatzkennzeichen "G" zur Folge. Hier geht man davon aus, dass eine spezifisch auf eine Diagnose verordnete Therapie die Diagnose als gesichert voraussetzt.

Anmerkung: Viele Praxisverwaltungssysteme setzen als Zusatzkennzeichen meistens automatisch "G", wenn keine anderen Zusatzkennzeichen eingegeben wurden.

V – Verdachtsdiagnose

Die Diagnose ist weder gesichert noch ausgeschlossen. Eine notwendig durchgeführte diagnostische Leistung sollte sich ableiten lassen. In der Regel sollte eine Verdachtsdiagnose spätestens im Folgequartal gesichert oder ausgeschlossen werden. Begründete Ausnahmen können aber Diagnosen sein, die sich erst im Verlauf der Entwicklung sichern lassen (z. B. Autismus-Spektrum-Störung). Wenn eine spezifische Therapie durchgeführt wird, kann "V" gegen "G" ausgetauscht werden, auch wenn die Diagnose noch nicht endgültig gesichert ist.

Anmerkung: Hierbei ist auch zu beachten, dass auch bei anderen Kostenträgern (z. B. Jugendhilfe, Eingliederungshilfe) nur die gesicherte Diagnose ("G") eine Kostenübernahme für die therapeutische Leistung zur Folge hat.

A – für eine ausgeschlossene Diagnose

"A" ist bei diagnostischen Leistungen zur Abklärung einer Erkrankung anzugeben. Es soll sich die Notwendigkeit der durchgeführten Leistungen ableiten lassen, wenn Untersuchungsergebnisse vorliegen, die eine Diagnose ausschließen. Für die Kodierung in SPZ bedeutet das, dass eine Diagnose nur durch diagnostischen Aufwand ausgeschlossen werden konnte. Auch bei einer alleinstehenden Diagnose besagt dies, dass das interdisziplinäre SPZ-Setting notwendig war, um die Verdachtsdiagnose auszuschließen.

Anmerkung: Eine Übermittlung von "A" an die Krankenkasse für mehr als ein Quartal sollte in jedem Fall gut begründbar sein. Bei langwierigen Untersuchungen sollte daher eher mit dem Zusatzkennzeichen "V" kodiert werden.

Z – für einen (symptomlosen) Zustand nach der betreffenden Diagnose

Zustand nach der betreffenden Diagnose kann kodiert werden, wenn Leistungen nötig werden, nach dem die Krankheit austherapiert wurde, aber ggf. präventive Maßnahmen notwendig sind, um z. B. ein Rezidiv zu verhindern. Das heißt, auch wenn keine krankheitsspezifische Diagnostik und/oder Therapie mehr erfolgt, aber der Zustand nach dieser Diagnose eine Leistung verursacht hat, kann diese kodiert werden.

Anmerkung: Hierbei ist aber zu beachten, dass wenn die ICD-10-Schlüsselnummer die Information "Zustand nach …" oder "Folgen …" bzw. "Folgezustände …" einer früheren Erkrankung enthält, so ist "Z" nicht zu verwenden, sondern "G".

Für die Kodierung in SPZ zeigen sich in Bezug auf die Diagnosesicherheit "Z" einige schwierige Entscheidungssituationen. Hierbei hilft uns das EKPSAT-Schema mit dem Bereich Ätiologie. Das hier eine Symptomatik oder eine Diagnose Bezug nimmt auf ein anamnestisches Ereignis, z. B. Z. n. Frühgeburt, Z. n. Schädel-HirnTrauma, Z. n. Misshandlung/Missbrauch ist eine sozialpädiatrische kausale Zuordnung. Wichtig ist es, für den Kostenträger einen Bezug herzustellen zu den für das Kind erbrachten Leistungen.

Anmerkung: Im Arztbrief sollte immer das komplette Diagnosespektrum nach MBS aufgeführt werden, unabhängig davon, ob in dem Quartal eine spezifische Leistung im Sinne einer Behandlungsdiagnose durchgeführt wurde.

Controlling der Diagnosen-Dokumentation in SPZ

Bezüglich der Diagnosen-Übermittlungen an die Kostenträger ist die Dokumentation im Praxisverwaltungssystem, aber insbesondere auch die kontinuierliche Kontrolle der im Behandlungsquartal an die Kostenträger nach § 301 SGB V übermittelten Diagnosen essenziell. Hierzu ist ein Controlling innerhalb des SPZ notwendig. Denn: Die Überwachung der auf den Abrechnungsunterlagen erscheinenden Diagnosen und die Prüfung auf Übereinstimmung mit den gesetzlich vorgegebenen Kodiervorgaben ist für die qualitätssichernde Arbeit in den SPZ unbedingt notwendig!

Wesentliches für die Praxis . . .
  • Es ist darauf zu achten, dass alle Diagnosen des Arztbriefes auch im Praxisverwaltungssystem dokumentiert sind.
  • Entsprechend der Kodiervorgaben sind die Reihenfolge und auch die Anzahl der zu übermittelnden Diagnosen uninteressant. Es gibt aber Praxisverwaltungssysteme, die in Haupt- und Nebendiagnosen unterteilen und auch die Anzahl der zu übermittelnden Diagnosen begrenzen. Dies muss im individuellen Fall beachtet werden.
  • Im Rahmen der Abrechnung sind ausschließlich Diagnosen zu übertragen, welche die Definition einer Behandlungsdiagnose erfüllen, d. h., ein Bezug zu den erbrachten Leistungen des Abrechnungsquartals muss vorhanden sein.
  • Die Übermittlung von quartalsübergreifenden Dauerdiagnosen (z. B. ätiologische Diagnosen, Intelligenzminderungen usw.) im Rahmen der Abrechnung ist zulässig, wenn sie im Bezug zu den dokumentierten Leistungen stehen.
  • Nicht mehr gültige Diagnosen sollten im Praxisverwaltungssystem beendet werden.
  • Wird eine krankheitsspezifische Therapie verordnet, muss eine indikationsgerechte Diagnose verschlüsselt sein.


Korrespondenzadresse
Dr. med. Christoph Kretzschmar
QZ-Leiter
im Auftrag des QZ Strukturen im ZQ-AK der BAG-SPZ

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (5) Seite 387-390